Wie viel Fleisch kann man essen und trotzdem „klimafreundlich“ leben?

Von klimaneutralen Rindfleisch über Bio- und Weidehaltung – die Fleischindustrie kennt viele Marketingstrategien, um Fleisch als nachhaltig zu verkaufen. Doch die Wahrheit ist: Eine nachhaltige Ernährung – für die eigene Gesundheit und die Umwelt – bedeutet vor allem: weniger Fleisch essen. Eine neue Studie hat nun berechnet, wie viel weniger Fleisch klimabewusste Konsument:innen essen sollten.
Im März 2025 fanden Forschende der Technischen Universität Dänemark (DTU) heraus, dass nachhaltiger Fleischkonsum bei maximal 255 Gramm Schweine- oder Geflügelfleisch pro Woche liegen sollte – etwa ein halbes Pfund. Rind-, Lamm- und anderes rotes Fleisch hingegen seien unter den heutigen Umweltbedingungen nicht mit einer nachhaltigen Zukunft vereinbar.
„Ich denke, diese Zahl liegt im richtigen Bereich“, schrieb Walter Willett, Professor für Epidemiologie und Ernährung an der Harvard T.H. Chan School of Public Health, per E-Mail an Sentient. „Aber es gibt keine exakte Obergrenze – das hängt auch vom Rest der Ernährung ab. Wenn jemand beispielsweise keine Milchprodukte zu sich nimmt, könnte es etwas mehr sein.“
Die Berechnungen basieren auf Simulationsmodellen, die untersuchten, wie sich verschiedene Ernährungsweisen auf Umwelt und Gesundheit auswirken. Über 100.000 Varianten in elf unterschiedlichen Ernährungstypen wurden getestet – mit dem Ziel, eine Ernährung zu identifizieren, die sowohl die Nährstoffbedarfe deckt als auch innerhalb der sogenannten „planetaren Belastungsgrenzen“ bleibt. Diese Grenzen beziehen sich auf ökologische Belastungen wie Treibhausgasemissionen, Landnutzung, Wasserverbrauch und Biodiversitätsverlust.
„Die meisten Menschen sind sich mittlerweile bewusst, dass wir aus Umwelt- und Gesundheitsgründen weniger Fleisch essen sollten“, so Caroline Gebara, Postdoktorandin bei DTU Sustain und Hauptautorin der Studie, in einer Pressemitteilung. „Aber es ist schwer einzuschätzen, wie viel ‚weniger‘ das ist und ob es im Großen und Ganzen wirklich einen Unterschied macht.“

Was die neue Studie herausgefunden hat
Die in Nature Food veröffentlichte Forschung modellierte potenzielle Ernährungsweisen, die zwei Ziele gleichzeitig erfüllen: gesundheitliche Bedürfnisse und ökologische Verträglichkeit. Die Studie betont: „Das derzeitige Ernährungssystem versagt darin, allen Menschen gesunde und ausreichende Ernährung zu bieten – soziale Ungleichheiten verschärfen ernste Gesundheitsprobleme.“
Dazu entwickelten die Forschenden ein Optimierungsmodell, das detaillierte Nährstoffanforderungen mit Umweltgrenzwerten verknüpfte. Über 2.500 US-Lebensmittel wurden in Bezug auf fünf Umweltindikatoren bewertet: Klimawandel, Landnutzung, Wasserverbrauch, Überdüngung von Süßwasser und Biodiversitätsverlust.
Gesundheit und Lebenserwartung
Um sicherzustellen, dass die vorgeschlagenen Ernährungsweisen auch der Gesundheit dienen, berücksichtigten die Forschenden Nährstoffe wie B12, Vitamin D, Eisen und Kalzium – also jene, die bei überwiegend pflanzlicher Ernährung schwerer zu decken sind. Angereicherte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel wurden einbezogen, um eine ausgewogene Nährstoffversorgung zu gewährleisten.
Zur Bewertung der Gesundheitsauswirkungen nutzte das Team den Health Nutritional Index (HENI), der auf Daten zur Globalen Krankheitslast basiert. HENI zeigt, wie viele Minuten gesunden Lebens man durch bestimmte Lebensmittel gewinnt oder verliert. Höhere Werte bedeuten mehr gesunde Lebenszeit.
Von den über 100.000 simulierten Ernährungsweisen erfüllten acht sowohl die ökologischen als auch die gesundheitlichen Kriterien – darunter fleischhaltige ebenso wie fleischfreie Varianten. Die besten Ergebnisse erzielten überwiegend pflanzliche Ernährungsweisen mit viel Getreide, Gemüse, Nüssen, Samen und Obst – sowie stark reduziertem Fleisch- und Milchkonsum.
Willett bestätigte, dass die Fleischgrenzen der Studie „im richtigen Bereich“ lägen, betonte aber, dass es keine Einheitslösung gebe. Seine eigene Forschung empfiehlt maximal eine Portion rotes Fleisch pro Woche (etwa 100 Gramm), um das Risiko chronischer Krankheiten wie Typ-2-Diabetes zu senken. Auch er befürwortet vorwiegend pflanzenbasierte Ernährung – obwohl die Rolle von rotem Fleisch in der Ernährungswissenschaft umstritten bleibt.
Der Vergleich mit der durchschnittlichen US-Ernährung zeigt: Durch eine Umstellung auf diese optimierten Diäten ließen sich die CO₂-Emissionen um das bis zu Siebenfache senken und bis zu 700 Minuten gesunde Lebenszeit pro Woche gewinnen. Die US-Ernährung schneidet im HENI besonders schlecht ab – nicht zuletzt, weil Amerikaner:innen weltweit am meisten Rindfleisch essen. Vegane, vegetarische und pescetarische Ernährungsweisen erzielten hingegen Werte von über 600 zusätzlichen gesunden Minuten pro Woche.
Nachhaltigkeit
Die Forschenden berechneten die ökologischen Belastungsgrenzen, die das Ernährungssystem langfristig aushalten kann – sowohl global als auch individuell. Ergebnis: Eine klimaverträgliche Tagesernährung sollte nicht mehr als 0,8 Kilogramm CO₂-Äquivalente verursachen und maximal 4,3 Quadratmeter Ackerfläche beanspruchen.
Wälder und grasbewachsene Savannen in ihrem natürlichen Zustand zu belassen – statt sie für Ackerland zu roden – ist entscheidend, um die schlimmsten Folgen der globalen Erwärmung abzuwenden. Leider wurden in diesem Bereich bislang kaum Fortschritte erzielt, im Gegenteil: Das Landnutzungsproblem verschärft sich weiter. Wie der Journalist Michael Grunwald, Autor des demnächst erscheinenden Buchs We Are Eating the Earth, The Atlantic schreibt: „Die Zahl der Menschen auf der Erde nimmt täglich zu – die verfügbare Landfläche jedoch nicht. Gleichzeitig essen diese Menschen immer mehr Fleisch, was nicht nur zu höheren Methanemissionen durch Rinder-Aufstoßen und Gülle führt, sondern auch mehr Fläche beansprucht, um Futtergetreide und Gras für Tiere anzubauen, bevor wir sie essen.“
Was können einzelne Konsument:innen tun? Laut Gebara zeigt die Forschung, dass nachhaltige Ernährung keine Alles-oder-nichts-Entscheidung ist. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass nachhaltiges Essen – so wie sie es definiert – nicht den vollständigen Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte verlangt.
„Unsere Berechnungen zeigen, dass es durchaus möglich ist, Käse zu essen, wenn einem das wichtig ist“, erklärte Gebara in der Pressemitteilung. „Voraussetzung ist natürlich, dass der Rest der Ernährung insgesamt gesund und nachhaltig gestaltet ist.“ Das bedeutet: Menschen können ihre Ernährung an persönliche Vorlieben anpassen, ohne dabei Gesundheits- oder Umweltziele zu gefährden.
Die Modelle der Studie zeigen: Wer sich von der aktuellen durchschnittlichen US-Ernährung (mit etwa 35 Kilogramm CO₂-Ausstoß pro Person und Woche) auf eine der optimierten, pflanzenbasierten Ernährungsweisen umstellt, kann seine Emissionen um das bis zu Siebenfache senken – auf nur noch 5 Kilogramm CO₂ pro Woche.
Die acht untersuchten Ernährungstypen reichten von fleischarmer Kost über pescetarisch, flexitarisch, vegetarisch, lacto-vegetarisch und ovo-vegetarisch bis hin zur veganen Ernährung. Für eine Ernährung mit hohem Anteil an rotem oder weißem Fleisch fand das Modell keine umsetzbaren Varianten – der Fleischkonsum wurde deshalb auf rund 255 Gramm Schweine- und Geflügelfleisch pro Woche begrenzt, was etwa drei Portionen entspricht.

Rindfleisch ist der Knackpunkt
Eine der deutlichsten Erkenntnisse der Studie ist: Rindfleisch – und rotes Fleisch insgesamt – stellt ein erhebliches Hindernis dar, wenn es darum geht, nachhaltige Ernährung innerhalb der planetaren Grenzen umzusetzen. Die Umweltauswirkungen von Rindfleisch, insbesondere in Bezug auf CO₂-Fußabdruck und Landnutzung, übersteigen die aller anderen Proteinquellen bei weitem.
Etwa ein Drittel aller globalen Treibhausgasemissionen stammt aus der Nahrungsmittelproduktion, und der Großteil dieser Emissionen wird durch Fleisch verursacht – mit Rindfleisch als Hauptverursacher. Die Viehzucht ist für 11 bis fast 20 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus der Lebensmittelproduktion verantwortlich. Daher ist selbst ein moderater Verzehr von Rindfleisch schlichtweg nicht mit einer nachhaltigen Ernährung vereinbar.
Der Umstieg von rotem Fleisch auf Geflügel oder Schwein bringt zwar in bestimmten Aspekten wie der Reduktion von Klimaemissionen Vorteile, doch die Forschenden bezogen auch andere Umweltaspekte in ihre Schlussfolgerungen mit ein. Die empfohlene wöchentliche Obergrenze für Fleisch – im Sinne von Gesundheit und Klima – liegt bei nur 255 Gramm Schweine- oder Geflügelfleisch. Das entspricht etwa einem Sechstel bis Zehntel dessen, was durchschnittlich in den USA oder Europa konsumiert wird. Zwar kann der Verzehr von weißem Fleisch kurzfristig gesundheitliche Vorteile bringen, doch er verursacht auf anderen Ebenen weiterhin Umweltbelastungen.
Inzwischen essen Amerikaner:innen mehr Hühnerfleisch als Rind- oder Schweinefleisch – eine Proteinquelle, die vom World Resources Institute hinsichtlich ihrer Treibhausgasemissionen als mittel eingestuft wird (deutlich unter Rind und Lamm). Der Haken: Hühnerfarmen sind in Sachen Tierwohl meist problematischer – und auch ökologisch oft belastender. Eine Farm mit 600.000 Hühnern produziert zum Beispiel rund 32 Tonnen Stickstoff aus tierischen Abfällen. Dieser Abfall verschmutzt Gewässer und führt zu giftigen Algenblüten.
In der industriellen Schweinehaltung produziert ein Betrieb mit 800.000 Tieren jährlich etwa 1,6 Millionen Tonnen Gülle. Wird diese nicht sachgerecht entsorgt, entweichen Ammoniak und andere Schadstoffe – was die Gesundheit der umliegenden Bevölkerung gefährdet. In North Carolina wurden etwa fäkale Partikel in der Luft nachgewiesen, die bis in Wohnhäuser gelangen und dort zu vermehrten Atemwegserkrankungen führen.
Der Unterschied zwischen dem, was durchschnittlich in den USA gegessen wird, und den Empfehlungen der Studie macht deutlich, wie stark sich vor allem die Ernährungsgewohnheiten im Globalen Norden ändern müssen, um nachhaltig zu werden.
Unterm Strich
Während Regierungen und Lebensmittelkonzerne um Nachhaltigkeitsziele ringen, reichen vage Appelle wie weniger, aber besseres Fleisch nicht mehr aus, um den Planeten gesund zu halten. Um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben, muss der Fleischkonsum – vor allem von Rind – drastisch gesenkt werden.
Gleichzeitig eröffnet die Studie einen Weg jenseits des Alles-oder-nichts-Denkens. Klar ist: Nachhaltige Ernährungsweisen basieren überwiegend auf pflanzlicher Kost. Die Forschenden identifizierten mehrere Ernährungsmuster – vom Pescetarismus über Flexitarismus bis hin zur vegetarischen Ernährung –, die sowohl gesundheits- als auch umweltverträglich sind.
Entscheidend ist: Den Klimawandel über das Ernährungssystem zu bekämpfen, ist nicht allein Sache individueller Entscheidungen (auch wenn weniger Fleischkonsum und weniger Lebensmittelverschwendung hilfreich sind). Persönliche Verantwortung allein reicht nicht. Wie die Studie betont: „Wirklich nachhaltige Ernährung erfordert universelle Verfügbarkeit – unterstützt durch politische Entscheidungsträger auf allen Ebenen.“ Ohne klare politische Rahmenbedingungen und institutionelle Unterstützung bleibt den Konsument:innen nur Rätselraten – und der Status quo wird nicht verändert.
Aus dem Englischen von Liam Grunsky
Letzte Änderung: 14.07.2025 | Erstellt am: 23.06.2025
Den Originalartikel von IMPAKTER Magazine finden Sie hier.
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