Plastik kann nun zur Verbreitung von Krankheiten beitragen
Plastikverschmutzung ist mehr als nur ein Umweltproblem: Neue Forschungen zeigen, dass Plastik im Meer auch Krankheitserreger verbreiten und die globale Gesundheit bedrohen kann.
Plastik als globales Gesundheitsrisiko
Der „Great Pacific Garbage Patch ist eines der sichtbarsten Zeichen unserer globalen Plastikabhängigkeit. In einem gigantischen Strömungssystem zwischen Kalifornien und Hawaii sammelt sich dort eine enorme Menge an Plastikmüll – rund 1,8 Billionen Teile mit einem Gesamtgewicht von etwa 79 000 Tonnen, verteilt über eine Fläche doppelt so groß wie Texas.
Die offensichtlichen Umweltschäden – verhedderte Tiere, verhungerte Vögel mit Mägen voller Plastik – sind längst bekannt. Doch zunehmend rücken die weniger sichtbaren, potenziell noch gefährlicheren Gesundheitsrisiken in den Fokus. Im Meer treibende Kunststoffe bilden neue Lebensräume für Mikroorganismen, Krankheitserreger und invasive Arten – ein Phänomen, das Forscher als „Plastisphere bezeichnen.
Diese Umgebung kann Krankheitserreger begünstigen und die Antibiotikaresistenz beschleunigen. Mikro- und Nanokunststoffe gelangen über Lebensmittel, Wasser und Luft in den menschlichen und tierischen Organismus. Der Great Pacific Garbage Patch durchdringt alle Bereiche des Ökosystems Ozean, breitet sich überall aus und stellt kurz gesagt eine Herausforderung für die öffentliche Gesundheit und One Health dar.
Plastik als schwimmender Lebensraum für Krankheitserreger
Kunststoffe im Ozean dienen Mikroben als ideale Ansiedlungsflächen. Biofilme aus Bakterien, Pilzen und Viren haften an der Oberfläche und bieten Schutz vor Sonnenlicht und Fressfeinden – sie überleben dort länger als auf natürlichen Materialien. In dieser künstlichen Umgebung können sich Krankheitserreger ungehindert vermehren und verbreiten.
Besonders problematisch ist, dass Plastik mit Schadstoffen und Schwermetallen beladen sein kann, was bei Mikroorganismen Stressreaktionen auslöst. Dadurch wird der genetische Austausch zwischen Bakterien gefördert – und damit auch die Bildung von Antibiotikaresistenzen. Gleichzeitig bieten größere Plastikteile Lebensraum für wirbellose Tiere, die mitsamt Krankheitserregern über die Weltmeere reisen und neue Ökosysteme infizieren können.

Mikroplastik und die menschliche Gesundheit
Eine Studie Nature Ecology and Evolution mit dem Titel „Extent and reproduction of coastal species on plastic debris in the North Pacific Subtropical Gyre“ weist auf den Aufstieg einer sogenannten „neopelagischen“ Gemeinschaft hin – einer neuen Lebensform im offenen Meer. Diese umfasst sowohl die üblichen, auf Treibgut lebenden Arten als auch Küstenorganismen, die nun weit entfernt vom Festland überleben können, da Plastikgegenstände als langlebige, mobile Lebensräume dienen.
Diese künstlichen Plattformen verändern grundlegend, wo Meeresorganismen leben können – und ermöglichen es insbesondere Küstenarten, sich zu vermehren und über große Distanzen zu verbreiten. Mit ihnen breiten sich auch Mikro- und Nanoplastik aus – was das ökologische und gesundheitliche Risiko weiter verschärft.
Gesundheitsrisiken durch Mikro- und Nanokunststoffe
Menschen und Tiere können Mikro- und Nanoplastik aufnehmen – durch Nahrung, Wasser oder durch Einatmen. Solche Partikel wurden bereits im menschlichen Blut, in der Lunge, im Gehirn in der Plazenta. Zweifellos ist noch viel Forschung nötig, doch es gibt bereits Hinweise auf Zusammenhänge mit langfristigen gesundheitlichen Folgen – darunter bekannte und bislang unerforschte Krankheiten, Stoffwechselstörungen und Unfruchtbarkeit.
Die Autor:innen der Studie Plastics Pandemic: Diseases of unknown origin, declining fertility, and the wider implications“ erklären dazu:
„Es gibt eine wachsende Wahrscheinlichkeit, dass Mikro‑ und Nanoplastik (MNP) eine bedeutende Rolle bei der Entstehung alltäglicher Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, vielen Krebsarten usw. spielt – eine Tatsache, die bislang stark unterschätzt wird, was sich in einem eklatanten Mangel an relevanter Forschung widerspiegelt. Dasselbe gilt für die globalen Veränderungen bei Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit. Überträgt man diese Erkenntnisse auf das Meeresökosystem, die Pflanzenbiologie und die menschliche Entwicklung – von der Empfängnis bis zur Geburt –, erscheint es nur angemessen und verhältnismäßig, weltweit deutlich mehr wissenschaftliche Studien, angewandte Forschung sowie transdisziplinäre und politische Maßnahmen zu fordern.“
One Health: Warum ein vernetzter Ansatz notwendig ist
Das potenzielle Schadenspotenzial des Great Pacific Garbage Patch reicht weit über den Pazifik hinaus – es betrifft andere Gewässer, das Festland und sogar die Luft – kurz gesagt: nahezu alle Aspekte unserer Umwelt. Und genau darin liegt der Kern des One-Health-Ansatzes: eine globale Strategie, die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kommunikation über alle Bereiche der Gesundheitsvorsorge hinweg fördert – für Mensch, Tier und Umwelt.
Der Great Pacific Garbage Patch ist weit mehr als nur ein umweltpolitischer Schandfleck – er fungiert als biologischer Brutkasten für Krankheitserreger und als Quelle von Mikroplastik, das zunehmend in das Leben der Menschen eindringt. Während die Gefahr neuartiger Krankheiten aus der Plastisphere zweifellos real ist, liegt der unmittelbare Schaden in den chronischen gesundheitlichen Auswirkungen durch die ständige Belastung mit Mikro- und Nanoplastik.
Der Müllstrudel im Pazifik zeigt eindrucksvoll, dass bei ungebremstem Plastikverbrauch die Grenze zwischen Umweltverschmutzung und öffentlicher Gesundheit immer stärker verschwimmt. Kurz gesagt: Dies ist eine globale Herausforderung mit vielen Dimensionen – doch eine zentrale Priorität muss die Umsetzung und Weiterentwicklung eines One-Health-Ansatzes sein.
Letzte Änderung: 09.12.2025 | Erstellt am: 10.11.2025
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