Großbanken verdienen Millionen mit Klagen gegen Umweltgesetze

Große Finanzakteure verdienen Millionen mit Klagen gegen Umweltgesetze. Fossil- und Bergbauunternehmen nutzen internationale Schiedsverfahren, um Staaten wegen umweltpolitischer Maßnahmen zu verklagen – und erhalten dabei Milliarden aus öffentlichen Kassen. Hedgefonds investieren in solche Prozesse und profitieren von Settlements ohne Risiko. Ein alarmierendes Geschäftsmodell, das als „Zockerparadies“ bezeichnet wird.
Eine Analyse des Guardian hat ergeben, dass Unternehmen aus der fossilen Energie- und Bergbauindustrie mithilfe von Investoren-Staat-Streitbeilegungsgesetzen bereits fast 92 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern zugesprochen bekommen haben. Umweltgesetze scheinen ihnen dabei unbeabsichtigt eine weitere Möglichkeit zu bieten, Geld zu verdienen und die Taschen von Hedgefonds-Anteilseignern zu füllen.
Abgesehen von den hohen Auszahlungen investieren Finanzspekulanten in diese Klagen, die von Unternehmen gegen Regierungen wegen der Auswirkungen von Umweltgesetzen eingereicht werden auf Grundlage von geschmälerten Gewinnen.
Investoren-Staat-Streitbeilegungsverfahren ermöglichen es Unternehmen, Länder oder Staaten wegen Gesetzen oder Maßnahmen zu verklagen, die sich negativ auf ihre Gewinne auswirken.
Die Finanzierung von Gerichtsverfahren gibt es schon seit Langem – am häufigsten kam sie bislang bei Klagen wegen Arbeitsunfällen oder Nebenwirkungen von Medikamenten zum Einsatz. Unternehmen bieten dabei an, Klagen zu finanzieren, im Gegenzug erhalten sie einen Anteil an der Vergleichssumme. Die enormen Auszahlungssummen aus Investoren-Staat-Streitigkeiten haben diese Praxis zu einer lukrativen Gelegenheit für Prozessfinanzierer gemacht. Dabei gehen die Geldgeber in der Regel kein Risiko ein, da Gegenklagen praktisch ausgeschlossen sind – es ist im Grunde ein risikoloses Glücksspiel. Juristische Fachleute warnen deshalb vor einem „Paradies für Zocker“.
Die Prozessfinanzierung steht in der Kritik – unter anderem von einigen Schiedsrichtern –, die sie als Treiber für kostspieligere Verfahren sehen, deren finanzielle Last am Ende von der öffentlichen Hand getragen wird. Befürworter hingegen argumentieren, dass Litigation Finance den Zugang zu gerechter Justiz verbessert, insbesondere für diejenigen, die sich ein Verfahren sonst nicht leisten könnten.
Die Untersuchung des Guardian analysierte mehr als 1.400 ISDS-Fälle. Dabei zeigte sich, dass diese Verfahren immer häufiger werden – und zunehmend zu staatlichen Auszahlungen führen.
Über ISDS-Gerichte haben Unternehmen über 120 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern erhalten. Mindestens 84 Milliarden davon gingen an Unternehmen der fossilen Energiebranche, weitere 7,8 Milliarden an Bergbauunternehmen – zwei der umweltschädlichsten Industrien weltweit.
Von den vom Guardian analysierten Fällen, in denen eine Einigung erzielt wurde, blieb in 31 % der Fälle die Höhe der Zahlung unbekannt. Der Guardian geht daher davon aus, dass der tatsächliche Betrag, den Unternehmen aus der fossilen Energie- und Bergbauindustrie erhalten haben, vermutlich deutlich höher liegt.
Angesichts der hohen Summen, die in diesen Verfahren ausgezahlt werden, gewinnen sie zunehmend an Beliebtheit als Investitionsmöglichkeit für Hedgefonds. Diese erhalten im Gegenzug für ihre Finanzierung einen Anteil an den finalen Entschädigungszahlungen. Der Guardian identifizierte mindestens 75 ISDS-Fälle mit Drittfinanzierung – geht jedoch davon aus, dass dies nicht die tatsächliche Zahl widerspiegelt. Viele Gerichte verpflichten Kläger nicht dazu, eine Drittfinanzierung offenzulegen. Das größte Schiedsgericht für solche Streitigkeiten verlangt die Offenlegung erst seit 2022.
Von allen durch Drittparteien finanzierten Fällen vor ISDS-Gerichten wurde die Hälfte von Investor:innen aus den USA, Großbritannien oder Kanada angestoßen. Über 50 % dieser Verfahren betrafen den Bergbau oder fossile Energien. Laut Daten, die dem Guardian von der juristischen Analysefirma Jus Mundi vorliegen, richteten sich mehr als 75 % der Klagen gegen Entwicklungsländer.
Zu diesen Fällen gehört auch die Klage von South American Silver gegen Bolivien. Eine Tochtergesellschaft von South American Silver hatte Bergbaukonzessionen in einer Region Boliviens erworben, die überwiegend von Indigenen bewohnt wird. Diese Konzessionen wurden 2010 von der bolivianischen Regierung widerrufen, nachdem dem Unternehmen vorgeworfen wurde, heiliges Land zu verschmutzen und indigene Gemeinschaften zu bedrohen. Infolge einer durch Drittmittel finanzierten ISDS-Klage wurde die bolivianische Regierung dazu verpflichtet, dem Bergbauunternehmen 18,7 Millionen US-Dollar zu zahlen.
In Mexiko wird im Oktober ein Verfahren beginnen, das von dem kanadischen Bergbauunternehmen Silver Bull angestrengt wurde. Silver Bull fordert 408 Millionen US-Dollar Schadensersatz von der mexikanischen Regierung, weil diese es versäumt habe, eine Blockade aufzulösen, die von Minenarbeitern organisiert wurde, die gegen die Aktivitäten des Unternehmens protestierten.
Burford Capital, das größte Prozessfinanzierungsunternehmen der Welt, unterstützt in diesem Jahr eine Klage gegen die Regierung von Grönland. Ein Bergbauunternehmen, das in Grönland tätig ist, argumentiert, dass ein Verbot des Uranabbaus faktisch die Erschließung eines der größten Vorkommen seltener Erden weltweit beendet habe. Sollte Grönland den Fall verlieren, müsste es entweder den Bergbau wieder zulassen oder bis zu 11,5 Milliarden US-Dollar an Entschädigung zahlen.
Fälle wie diese sorgen zunehmend für Besorgnis – selbst innerhalb der ISDS-Gerichtsbarkeit. Muthucumaraswamy Sornarajah, ISDS-Schiedsrichter und internationaler Jurist, ist der Ansicht, dass die Drittfinanzierung ISDS-Verfahren in ein „großes Geschäft“ verwandelt hat. Er argumentiert, dass aufgrund des fehlenden Risikos für die Klagenden – einschließlich der Geldgeber – immer mehr Klagen eingereicht werden, selbst wenn die Beweislage immer dünner ist.
Sornarajah ist der Meinung, dass das kaum vorhandene Risiko von Gegenklagen „bedeutet, dass die beklagten Staaten – von denen die meisten Entwicklungsländer sind – die Kosten für die Verteidigung potenziell haltloser Klagen tragen müssen, die durch Drittfinanzierung ermöglicht werden.“
Die Branche hinter der Drittfinanzierung von Gerichtsverfahren wächst rasant. Der Markt für Prozessfinanzierung hatte 2024 ein Volumen von 17,5 Milliarden US-Dollar und soll bis 2037 auf 67,2 Milliarden US-Dollar anwachsen. Befürworter:innen der Prozessfinanzierung argumentieren, dass dies den Zugang zum Justizsystem für alle verbessern werde.
Im Rahmen der Guardian-Untersuchung war Burford Capital das einzige Unternehmen, das bereit war, mit dem Medium zu sprechen. Christopher Bogart, Mitgründer und CEO von Burford Capital, erklärte, dass Drittfinanzierung eine wichtige Rolle dabei spiele, Zugang zur rechtlichen Gerechtigkeit zu schaffen, der sonst nicht möglich wäre. Mit Blick auf ISDS-Fälle sagte Bogart: „Ich glaube nicht, dass ISDS-Fälle ein höheres Potenzial oder lukrativer sind als viele andere Bereiche der Prozessführung.“
Das Unternehmen teilte mit, dass bis September 2024 in 93 % der abgeschlossenen Fälle, die durch ihre Drittfinanzierung unterstützt wurden, ein Ertrag für die Mandant:innen erzielt wurde. Zu ihrer Geschäftspraxis erklärte Burford in einer Stellungnahme: „Rechtsfinanzierung übernimmt eine Prüfungsfunktion und sortiert unbegründete Klagen aus: Wir werden nur bezahlt, wenn unsere Mandant:innen ihre Fälle gewinnen – wenn die von uns finanzierten Verfahren verloren gehen, verlieren wir 100 % unseres Geldes.“
Kritiker:innen hingegen sind der Ansicht, dass das Wachstum der Prozessfinanzierung zu einer Zunahme spekulativer Klagen führt.
„Drittfinanzierung ermöglicht es Investor:innen – oder ermutigt sie sogar dazu –, Klagen außerhalb ihrer Bilanzen zu verfolgen und damit ein zentrales Abschreckungsmittel gegen schwache oder spekulative Klagen zu umgehen“, sagt Lisa Sachs, Direktorin des Columbia Center on Sustainable Investment.
„Die Prozessfinanzierer suchen gezielt nach Klagen und investieren in sie, um daraus eine Rendite zu erzielen – mitunter in Partnerschaft mit Anwaltskanzleien, die ebenfalls ein finanzielles Interesse daran haben, mehr Klagen einzureichen. Diese Dynamik fördert mehr Schiedsverfahren – ungeachtet des öffentlichen Interesses oder der Legitimität der Klagen“, ergänzt Fr. Sachs.
Burford Capital hält die Behauptung, dass vermehrt schlecht begründete Klagen aufgrund steigender Gewinnchancen vor Gericht gebracht würden, für falsch. In einer Stellungnahme hieß es: „Wir würden vom Markt verschwinden, wenn wir schlechte oder leichtfertige Fälle auswählen würden – geschäftliche Notwendigkeit zwingt uns dazu, bei unseren Investitionen äußerst wählerisch zu sein und nur erfolgversprechende Verfahren zu unterstützen. Wir ermöglichen Unternehmen den Zugang zur Justiz, die ihn sich sonst nicht leisten könnten.“
Derzeit drohen Prozessfinanzierern keine Strafen, die sie dazu verpflichten würden, die Gerichtskosten eines Staates oder einer Regierung zu übernehmen. Einige Schiedsrichter sind der Meinung, dass sich das ändern sollte. Dr. Kamal Hossain, ISDS-Schiedsrichter im Fall Teinver gegen Argentinien und ehemaliger Außenminister von Bangladesch, hält den aktuellen Status quo für Drittinvestor:innen für problematisch. Er argumentierte, dass „Die Schaffung eines ‚Paradieses für Zocker‘, indem Drittfinanzierern erlaubt wird, Investoren-Staat-Streitbeilegungen als Mittel finanzieller Spekulation zu nutzen – ohne die Möglichkeit, Kostenentscheidungen gegen diese Geldgeber zu verhängen –, ist zutiefst problematisch“, sagte Dr. Hossain. „Die derzeitige Unfähigkeit von Schiedsgerichten, Kostenentscheidungen gegen Drittfinanzierer zu treffen, ist ein reales und ernstes Problem und hat in früheren Fällen bereits die Besorgnis von Schiedsrichtern geweckt. Ihre Beteiligung kann die Verfahrenskosten zusätzlich in die Höhe treiben. Aus diesem Grund sollte ein Tribunal grundsätzlich in der Lage sein, eine Kostenentscheidung gegen einen Drittfinanzierer zu treffen.“
Professor Philippe Sands, ISDS-Schiedsrichter im Fall Odyssey Marine Exploration gegen die mexikanische Regierung, wies auf die 21 Millionen US-Dollar an Anwaltskosten hin, die Odyssey angesammelt hatte – mehr als die Hälfte davon wurde durch Drittfinanzierung gedeckt. Die Anwaltskosten der Klägerseite lagen damit etwa zehnmal so hoch wie die der Beklagten, der mexikanischen Regierung.
Professor Sands hat – ebenso wie Dr. Hossain – Bedenken hinsichtlich der zunehmenden Beteiligung von Prozessfinanzierern geäußert.
„Man könnte sagen, diese Arrangements tragen zu einer gewissen Blüte bei: mehr Honorare für Anwält:innen, mehr Fälle für Schiedsrichter:innen – und eine tiefere, breitere und lukrativere Tränke, in die wir alle unsere Rüssel tauchen können“, so Hr. Sands.
Da weltweit immer mehr Gesetze zum Schutz der Umwelt eingeführt werden, wird die Prozessfinanzierung in Investoren-Staat-Streitigkeiten voraussichtlich weiterhin florieren.
Aus dem Englischen von Liam Grunsky.
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Dieser Artikel wurde ursprünglich im Impakter Magazine veröffentlicht. Hiesige Veröffentlichung erfolgt in Zusammenarbeit mit Impakter Magazine.
Letzte Änderung: 26.05.2025 | Erstellt am: 26.05.2025
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