Über Klimawandel sprechen – aber wie?

Über Klimawandel sprechen – aber wie?

Ein Essay über den Klimawandel
Ein Blick auf Mangrovenkeimlinge, die von Generalsekretär Ban Ki-moon und anderen auf Tarawa, einem Atoll im pazifischen Inselstaat Kiribati, am 5. September 2011 gepflanzt wurden. | © UN Photo/Eskinder Debebe

In einem neuen provokanten Buch argumentiert Genevieve Guenther, dass zu viele der Diskussionen über den Klimawandel im Sinne der Fossilindustrie geführt werden.

Der Originalartikel ist in englischer Sprache im Impakter Magazin erschienen.

Über den Klimawandel zu sprechen, ist für die meisten Menschen nicht selbstverständlich, selbst für diejenigen, die sich darum sorgen. So sprechen laut einer US-Umfrage vom Herbst 2023 zwei Drittel der amerikanischen Bevölkerung mit Familie und Freunden „selten“ oder „nie“ darüber. Möglicherweise sind sie von der wissenschaftlichen Debatte eingeschüchtert, haben Angst vor einem Streit oder befürchten als pessimistisch zu gelten. Das daraus resultierende Schweigen ist einer der Gründe, warum es keinen größeren sozialen Druck gibt, die Emissionen fossiler Brennstoffe zu reduzieren: Die Menschen unterschätzen die Auswirkungen öffentlicher Unterstützung von klimapolitischen Maßnahmen erheblich, da ihnen genau das von ihrem Umfeld suggeriert wird. Die einzige Möglichkeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, besteht laut Kommunikationsfachleuten darin, dass wir bitte, bitte anfangen, darüber zu sprechen.

In The Language of Climate Politics beschreibt Genevieve Guenther, eine ehemalige Professorin für englische Renaissance-Literatur, die zur Klimaaktivistin wurde, dass bestimmte Argumente für fossile Brennstoffe zu einer Art Allgemeinwissen geworden sind, das sowohl von den Rechten als auch von den Linken verwendet wird.

Guenther gründete 2018 die Freiwilligengruppe End Climate Silence mit Sitz in New York City, in der Hoffnung, die Medien dazu zu bewegen, mehr über den Klimawandel zu sprechen. Dabei ist die grundlegende Philosophie hinter ihrer Arbeit, dass Worte Ideen formen und Ideen Konsequenzen haben, so dass wir die Worte, die wir wählen, neu überdenken sollten. „Um eine lebenswerte Zukunft zu sichern, müssen wir unter anderem die Begriffe, die die Sprache der Klimapolitik beherrschen, demontieren und neu formulieren“, schreibt Guenther.

In ihrem Buch stellt sie sechs Schlüsselbegriffe vor, die ihrer Meinung nach die Konversation zu Lasten des Klimaschutzes dominieren: Panikmache („alarmist“), Kosten, Wachstum, „Indien und China“, Innovation und Widerstandsfähigkeit („resilience“). Diese Begriffe werden häufig genutzt, um die Verwendung fossiler Brennstoffe zu rechtfertigen: dadurch werden Menschen, die sich zu den Risiken äußern, als Panikmachende dargestellt, Klimamaßnahmen gegen wirtschaftlichen Wohlstand ausgespielt, die Aufmerksamkeit weg von den USA und hin auf andere Länder gelenkt und der Status quo geschützt, indem auf Technologien zur Kohlenstoffentfernung und die Regenerationsfähigkeit der Gesellschaft verwiesen wird. Das Buch versucht, diese Aussagen zu entlarven, indem es beispielsweise anschaulich dokumentiert, wie Wirtschaftsmodelle es lange nicht geschafft haben, die wahren Kosten des Klimawandels einzukalkulieren.

Für jeden Begriff bietet Guenther andere Formulierungen an, die „sich die Fossilindustrie nur schwer zu eigen machen kann.“ Von Widerstandsfähigkeit zu sprechen impliziere, dass die Menschen extreme Wetterbedingungen aushalten könnten; stattdessen könne von Anpassung („transformation“) gesprochen werden. Das Ergebnis dieser Umbenennung ist ein binärer Ansatz, der nahelegt, dass es eine richtige und eine falsche Art und Weise gibt, über Klima zu sprechen. Dieses Streben nach eindeutiger moralischer Gegensätzlichkeit birgt das Risiko, potenzielle Mitstreitende vor den Kopf zu stoßen – etwa die Klimaschützenden, die der Meinung sind, dass die CO2-Abscheidung vielversprechend ist, oder die Befürwortenden, die befürchten, dass die Aussage nach hinten losgehen könnte, wenn sie zu beängstigend klingt, ganz zu schweigen von den jüngeren Mitgliedern der republikanischen Partei, die zu zwei Dritteln dafür sind, erneuerbaren Energien Vorrang vor dem Ausbau fossiler Energien einzuräumen. Aber dieses Risiko der Frontenbildung ist Guenther bereit einzugehen.

Im Eröffnungskapitel von The Language of Climate Politics wird das Wort „alarmist“, das oft verwendet wird, um Forschende der Panikmache zu bezichtigen, genauer betrachtet. Dazu zieht Guenther die Begriffe alarmiert beziehungsweise alarmierend („alarmist“) heran, um zu verdeutlichen, dass es sich hierbei um eine „vollkommen angemessene“ Reaktion darauf handelt, dass unser Planet nicht länger die komfortablen Bedingungen bietet, unter denen sich komplexe Gesellschaften in den letzten 10.000 Jahren entwickelt haben. Sie kritisiert die verschiedenen Fraktionen innerhalb des Klimadiskurses, von „Entscheidungsunfreudigen“ und „Techno-Optimismus-Anhängenden“, die davon ausgehen, dass eine wärmere Zukunft nicht so schlimm sein wird, bis hin zu Schwarzmalern, die sich vorstellen, dass es zu spät ist, etwas zu ändern.

Ähnlich der Vorgehensweise Menschen in Schubladen zu stecken, könnte man Günther aus einer kritischen Perspektive als Befürworterin der CO2-Reduzierung einordnen, deren verbissene Konzentration auf die Beendigung der CO2-Emissionen die komplexen sozialen und politischen Faktoren vor dem Hintergrund von Wetterkatastrophen ausblendet. Sie ist der Meinung, dass Personen zu weit gehen, wenn sie jene kritisieren, die Alarm schlagen. Damit meint sie auch Forschende, die sich bereits nur gegen Übertreibungen aussprechen. Nachdem der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres im vergangenen Jahr verkündet hatte, dass das Zeitalter des „global boiling angebrochen sei, kritisierte der NASA-Klimawissenschaftler Chris Colose diesen Begriff als „abstoßende“ Formulierung, die „böswilligen Leuten nur ein müdes Lachen entlockt“. Guenther hält diese Kritik für ein Ablenkungsmanöver.

Sie räumt ein, dass ihr Argument – „der Klimawandel wird für alle katastrophal werden, wenn die Welt nicht aus den fossilen Energien aussteigt“ – vielleicht nicht auf breite Zustimmung stößt. „Vielleicht stoßen wir die Menschen ab, die der Klimakrise im Allgemeinen distanziert gegenüberstehen – ganz zu schweigen von den Optimisten der politischen Mitte –, weil es für sie zu viel ist, was sie auf einmal verarbeiten müssen. Aber das ist in Ordnung.“ Ihre Zielgruppe ist eindeutig nicht die breite Öffentlichkeit. Um diesen engen Fokus zu rechtfertigen, verweist Guenther auf die 3,5-Prozent-Regel, die besagt, dass man nur eine kleine Minderheit, 3,5 Prozent der Gesellschaft, mobilisieren muss, um ernsthafte politische Veränderungen zu bewirken.

Das Problem ist, dass diese Zahl aus der politikwissenschaftlichen Forschung darüber stammt, wie gewaltfreie Kampagnen autoritäre Regierungen stürzen können, und nicht wie Kampagnen einen sozialen Wandel in Demokratien anstoßen können. Die 3,5 Prozent lassen also sich nicht unbedingt auf den Prozess der Umsetzung von Gesetzen zur Reduzierung von Emissionen über Jahrzehnte hinweg übertragen. Die Harvard-Forscherin Erica Chenoweth, die die Prozent-Regel erfunden hat, warnt, dass das Ziel, 3,5 Prozent der Bevölkerung zu mobilisieren, ohne eine breite öffentliche Unterstützung aufzubauen, keine Garantie für Erfolg ist. „Man kann leicht zu dem – meiner Meinung nach falschen – Schluss kommen, dass man nur 3,5 Prozent der Bevölkerung auf seiner Seite braucht“, sagte Chenoweth 2022 in einem Podcast.

Eine Klimaaktivismus-Gruppe, die sich von dieser 3,5-Prozent-Regel inspirieren ließ, hat sich inzwischen von dieser Strategie abgewandt. Extinction Rebellion zog 2018 die Aufmerksamkeit der Welt auf sich, als ihre Mitglieder in Großbritannien begannen, Brücken zu blockieren, ihre Hände an Regierungsgebäude zu kleben und Kunstblut auf die Straßen zu gießen. Jahrelang gab es Kritik innerhalb der Organisation, die davor gewarnt hat, dass sie die Regel falsch anwenden und möglicherweise effektivere Strategien verpassen, die eine breitere Unterstützung für die Umsetzung der geforderten Klimaschutzmaßnahmen bringen würde. „Um tatsächlich die Art von umfangreichem, schnellem Systemwandel zu bewirken, der jetzt nötig ist, um den Kollaps abzuwenden, müssen wir einen ziemlich großen Teil der 99 Prozent auf unserer Seite haben“, schrieb Rupert Read, ein ehemaliger XR-Stratege, im Jahr 2019.

Drei Jahre später, als die Extinction Rebellion U.K. diese Problematik erkannte,” kündigte sie an, dass sie ihre Taktik vom Einschlagen von Fenstern auf das Bauen von Brücken verlagern und „Präsenz der Verhaftung und Zusammenarbeit den Straßenblockaden vorziehen“ würde. Seitdem, so die Verantwortlichen, ist die Unterstützung gewachsen und immer mehr Menschen werden Mitglieder.

Gegen Ende von The Language of Climate Politics weist Günther in einer Art Selbstkritik auf die Notwendigkeit einer breiten Bewegung hin, die die USA zwingt, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden – eine Bewegung, die Schwarze Gemeinden, die gegen die Umweltverschmutzung kämpfen, junge Menschen, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen, und möglicherweise sogar Klima-Tech-Unternehmen umfasst. Das Buch als Ganzes, mit seiner Betonung auf der Verstärkung von Spaltungen, wirkt fest in einer Zeit verankert, in der soziale Medien die Polarisierung angeheizt haben, und in einem Moment, in dem mit Joe Biden ein demokratischer US-Präsident seit Jahren an der Macht ist.

Wenn jemand klimafreundliches wie Präsident Joe Biden im Weißen Haus sitzt, neigt die Umweltbewegung dazu, sich zu zersplittern. Einige Gruppen konzentrieren sich auf “Insider”-Taktiken wie Lobbyarbeit im Kongress und die Ausarbeitung politischer Maßnahmen, während andere sich auf Taktiken im „Außen“ fokussieren und durch Proteste auf ambitioniertere Maßnahmen drängen. Sollte hingegen der ehemalige Präsident und vehemente Klimaleugner Donald Trump in diesem Herbst wiedergewählt werden, könnten selbst die nur bedingt um das Klima Besorgten für “eine wiederbelebte “Widerstands-Bewegung mobilisiert werden, die dann erneut durch einen gemeinsamen Feind geeint wird.

Guenthers Buch macht deutlich, dass die Gespräche über den Klimawandel von ausgetretenen Pfaden weg und auf neue, produktive Wege gelenkt werden müssen. Das Buch ist jedoch weniger als Leitfaden für die Kommunikation gedacht, sondern vielmehr als Anleitung, sich in einer Schlacht der Worte auf eine Seite zu schlagen, denn Guenther schreibt: „Eine der mächtigsten Waffen, die wir haben, ist unsere Stimme.“

Die Forschung zeigt, dass die richtige Überzeugungsarbeit in der Regel bereits damit beginnt, Menschen einfühlsam und nicht wertend zuzuhören, anstatt mit ihnen zu diskutieren. Dazu gehört es, Fragen zu stellen, Vertrauen aufzubauen und zu akzeptieren, dass man nicht immer Recht hat. Diesen praktischen Ratschlag für Gespräche mit echten Menschen nimmt Guenther schließlich in einem dreiseitigen Nachwort auf, und es scheint dem strengen Ton der vorangegangenen fast 200 Seiten entgegenzuwirken. Denn es gibt nicht den einen richtigen Weg, über den Klimawandel zu sprechen, sondern viele.

Dieser Artikel von Grist wird hier im Rahmen der globalen Journalismus-Kooperation Covering Climate Now veröffentlicht.

Der Originalartikel ist in englischer Sprache im Impakter Magazin erschienen.

Letzte Änderung: 28.08.2024  |  Erstellt am: 28.08.2024

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