Sie oder Wir

Sie oder Wir

Aussichtslosigkeit der Weltrettung
Klimagipfel in Glasgow | © Michele Sciurba

Ohne Welt kein Mensch, ohne Mensch aber auch keine Welt? Als Menschen sind wir fest davon überzeugt, dass das Universum und die Welt uns in irgendeiner Art brauchen und betrachten uns im Blickwinkel der Ewigkeit. Doch der Mensch steht zur Welt im Verhältnis wie die Mikroben, Bakterien und Viren zu ihm, die ihn befallen. Andreas Steffens zeigt, warum diese Welt unsere Welt ist und was es hieße, diese unsere Welt vor dem von uns verursachten Klimawandel und damit vor uns selbst zu retten.

      Mit seinem Prinzip Verantwortung hat Hans Jonas 1979 die Sorge um die Welt, die die gerade entstandene ökologische Bewegung mit apokalyptischem Nachdruck in sie brachte, philosophisch geadelt. Seitdem gibt es einen Wettstreit um das beste Programm zu ihrer Rettung. Als Erde erweist sie sich immer mehr als die beste, seitdem der Blick aus dem Weltall auf sie auch dem letzten vor Augen führte, daß sie die einzige mögliche für uns ist. Die kosmische Oase, auf der der Mensch lebt, dieses Wunder an Ausnahme, der blaue Eigenplanet inmitten der enttäuschenden Himmelswüste, ist nicht mehr ›auch ein Stern‹, sondern der einzige, der diesen Namen zu verdienen scheint (Blumenberg, Genesis, 793 f. – vgl. Steffens, Ontoanthropologie, 237–262).

      Bevor wir aber daran gehen könnten, die Welt zu retten, müßten wir wissen, was genau sie ist, um die wir uns immer stärker sorgen.

      Die Selbstverständlichkeit, mit der wir überzeugt sind, es zu wissen, ist so unbegründet, wie jede. Angst macht blind. Die Angst um die Welt, die nichts anderes ist als Angst um uns, macht blind für die Welt, um die wir fürchten, weil wir für uns fürchten. Wir tun es, weil wir als Verdichtung einer Jahrzehntausende währenden Erfahrung des Menschen mit der Welt wissen, ohne daß uns dies immer bewußt wäre, daß wir der Welt vollkommen gleichgültig sind.

      Gewußt haben Menschen es immer, auch, ohne es zu verstehen. Bis sie es aufgaben, es verstehen zu wollen, und stattdessen daran gingen, die Welt so zu verändern, daß sie von ihr nicht mehr ständig daran erinnert werden konnten. Die Zivilisation der ›Weltbeherrschung‹ als ›Naturbeherrschung‹, die sich ausgehend von Europa seit fünfhundert Jahren über die Erde verbreitete, ließ es schließlich vergessen.

      Das erklärt den Vorrang des Menschlichen, auf den Jonas sein metaphysisches Gebot gründet, den Bestand der Welt zu gewährleisten, damit es weiterhin Menschen geben könne. Den Grundgedanken seiner ›Ethik für die technologische Zivilisation‹, daß überhaupt Menschen in der Welt sein sollen (Jonas, Prinzip, 8), gewinnt Jonas aus einer ›Heuristik der Furcht‹. Sie hat zu begründen, warum also der unbedingte Imperativ gilt, ihre Existenz für die Zukunft zu sichern. Nicht um ihrer selbst willen, sondern zum Fortbestand des Menschen. Zu erhalten ist sie als Medium seines Daseins. Das aber heißt nichts anderes, als daß die Ethik der Verantwortung die Ontologie menschlicher Überlegenheit fortsetzt, die der Kritiker der Zivilisation doch als Ursache ihrer Weltgefährdung dingfest macht.

      Während Hans Jonas sich noch ganz seiner Wiederentdeckung der Gnosis widmete – mit der er nebenbei die Fundamente der ›Fundamentalontologie‹ seines Lehrers Heidegger freilegte –, stellte der Schweizer Schriftsteller Charles-Ferdinand Ramuz 1935 ins Zentrum seines Beitrages zur Gattung literarischen Philosophierens Taille de l’homme –1949 deutsch unter dem Titel Mass des Menschen erschienen – den Gedanken einer Ewigkeit des Menschen. Zu ihr muß er sich bekennen, um seine Stellung auf der Erde zu behaupten, die im kosmischen Maßstab zur Geringfügigkeit schrumpfte. Not tut, daß der Mensch sich selbst für unentbehrlich halte. Er muß fest überzeugt sein, daß das Universum ihn auf irgendeine Weise brauche. Und nicht nur des eigenen Seins, sondern auch der unbegrenzten Dauer dieses Seins muß der Mensch sich versichert fühlen. Denn mag er auch im Räumlichen nur wenig gelten: denkbar wäre doch, daß er in der Kategorie der Zeit viel zu bedeuten hätte. Es bleibt ihm denn auch keineswegs verborgen, daß er die eine Hälfte seines Wesens verleugnet, daß er Verrat an der eigenen Natur begeht, wenn er sich von sich selbst eine nur räumliche Vorstellung macht. Der Mensch fühlt, daß nur unbegrenzte Dauer, daß nur die E w i g k e i t seinem Vorhandensein einen Sinn zu geben vermag (Ramuz, Mass, 181 f.).

      Nur, wenn das Dasein des Menschen in ihr als von ebensolcher Dauer wie die Welt selbst gedacht wird, kann es die doppelte Verpflichtung geben, nicht nur sich in ihr zu erhalten, sondern dies auf eine Art zu leisten, daß es ihren eigenen Bestand nicht gefährdet. Nur als ihr notwendiger Bestandteil kann der Mensch sich die Verpflichtung zu ihrer Schonung auferlegen, und ihr gerecht zu werden versuchen. Mit der astronomischen Entwertung der Erde wird die Selbstbehauptung des Menschen zum Garanten ihrer eigenen kosmischen Würde. Weil wir in ihr entstanden, und nirgendwo sonst Vergleichbares existiert, ist sie nicht Nichts. Indem wir sie bewahren, retten wir sie vor kosmischer Bedeutungslosigkeit.

      Das ökologische Bewußtsein, das die Naturverwobenheit des Menschen betont, verleiht diesem metaphysischen Grundgedanken einer Ontoanthropologie neue Überzeugungskraft. Nur, wenn die Welt nicht mehr sein könnte, was sie ist, wenn es den Menschen als ihren integralen Bestandteil nicht mehr gäbe, kann es eine Pflicht zu ihrer Bewahrung geben. Sie muß geschützt werden, damit sie nicht als Beinahe-Nichts im Universum verschwindet, wozu sie würde, ginge ihr der Mensch als einzigartiges Ereignis im universalen Sein verloren. Wozu es jedoch kommen muß, wenn er diese Pflicht nicht erfüllt. Ohne Welt kein Mensch; ohne Mensch aber auch keine Welt.

      Daß hinter diesem ›double bind‹ unverkennbar das Modell des biblischen Mythos̕ steht, der die Unzufriedenheit Gottes mit seiner Weltschöpfung als Motiv zur Schöpfung des Menschen als deren Vollendung benennt, entwertet es nicht, sondern belegt seine metaphysische Unentbehrlichkeit noch für ein säkularisiertes Bewußtsein. Es mag die Welt auch ohne uns geben; aber dann wäre sie nicht, als was wir sie denken müssen, um uns als ihr Teil zu verstehen. Und nur unter dieser Voraussetzung können wir den Gedanken, wir könnten sie durch unser Dasein gefährden, nicht nur zulassen, sondern überhaupt haben.

      Gesellschaften lernen nur sehr langsam, und nur für kurze Zeiten. Kaum einmal über eine Generation hinaus. Durch die plötzliche Wiederkehr der Geschichte und der großen Politik mit dem Fall der Mauer 1989 und dem Zerfall der Sowjetunion kurz darauf, wurde das gerade entstandene, und in Politik einzusickern beginnende ökologische Bewußtsein durch die neuen Verheißungen einer dank des Fortfalls der die Weltpolitik das Jahrhundert lang in Atem haltenden Alternative des ›real existierenden Sozialismus̕‹ zur alleinigen Herrschaft gelangenden Ökonomie verdrängt. Um mit den immer drastischeren Phänomenen des Klimawandels zu Beginn des folgenden Jahrhunderts schlagartig zurückzukehren, zu deren Verursacher sie wurde.

      Die Institutionen der parlamentarischen Demokratie regieren; die Ökonomie aber herrscht. Politik wurde zum Verwaltungshandeln zur Durchdringung der Gesellschaft mit dem einzigen Maß des Profitinteresses. Mit der Globalisierung seiner Kapitalordnung wurde der Neoliberalismus totalitär. Mit dessen vollständiger Enthemmung erreicht die Zivilisation der Weltverfügung ihren historischen Höhepunkt. Ihn markiert die nun von den Enkeln der ersten Ökologiebewegten erneuerte Sorge um die Welt.

      Wenn es denn stimmt, daß die Welt wenigstens als unsere Welt gerettet werden muß, weil die Zivilisation dabei ist, zu zerstören, dessen wir als Natur zum Überleben in ihr bedürfen, muß das nicht ebenfalls bedeuten, daß sie auch zu retten ist. Die ›zu rettende‹ Welt ist nicht nur die, die gerettet werden muß, sondern auch die, die rettbar sein muß. Aber wird sie es auch, sich retten lassen? Kann sie es überhaupt?

      In unserem angstgesteuerten Eifer sind wir dabei, die wichtigste Voraussetzung dafür zu übersehen. Sie ist nicht die fehlende Bereitschaft der Politik, das dazu Notwenige zu tun. Es ist die Verfassung der Welt selbst; ihr eigenes, vom Menschentreiben in ihr unabhängiges Sein, das wir so gründlich mißachteten, daß wir nun die Folgen katastrophal zu spüren bekommen. Es ist das gegenseitige Verhältnis von Welt und Leben überhaupt.

      Was wir uns zum zweiten Mal zu retten entschließen, nach einem halben Jahrhundert der Untätigkeit trotz hinreichender Kenntnisse, die zum Handeln schon ebenso lange hätten zwingen sollen, kann die Welt nicht sein; höchstens unser Teil an ihr. Im erneuten Aufbruch wiederholt sich in genauer Umkehrung der anthropozentrische Hochmut, der sie so lange hat mißhandeln lassen, als wäre unser Dasein auf dieselbe Art auch für sie das Wichtigste, wie es das für uns sein muß. Als gäbe es für die Welt den korrespondierenden Imperativ, weiter zu existieren, damit die Menschen weiterleben können, die ihren Fortbestand gefährden. Als müßte sie nun auch ihre Rettung zulassen, nachdem sie ihren schleichenden Ruin so lange duldete.

      Selbst eine Geltung jenes von Jonas proklamierten Imperativs vorausgesetzt, böte das keine Garantie, daß seine Befolgung das Ziel, auf das er anlegt, auch erreichen läßt. Denn es ist ungewiß, ob es überhaupt Ziel sein kann.

      Den Zweifel daran begründet die Verfassung des Lebens selbst, dessen Bewahrung als menschliches es zur unbedingten Aufgabe erhebt, und seine Stellung in der Welt. Konterkariert wird es von deren Verfassung, und den Bedingungen seiner Möglichkeit, die sie ihm auferlegt.

      Hans Blumenberg hat das zuerst ausgesprochen, in einer seiner ›astronoetischen‹ Glossen: Wenn die Welt am Leben untergeht, dann, weil beide sind, was sie sind; nicht, weil der Mensch es mit seinem Leben in der Welt in der Zivilisation ihres Verbrauchs zu arg übertrieb. Daß er es überhaupt konnte, gehört zu den Optionen des Lebens, und den Möglichkeiten seines Anteils an ihm.

      Diese schärfste aller möglichen Ernüchterungen eines ontologisch guten Willens reaktiviert eine romantische Idee. Es ist eine Tröstlichkeit höherer Ordnung, sich dem Gedanken hinzugeben, das Universum sei im ganzen ein zwischen äußerster Kondensation und äußerster Expansion pulsierendes Wesen, das sich in diesem Herzschlag der bloßen Materie erhält. Das Leben, das in diesem All irgendwo oder öfter auftritt, wäre dann nur die gewagteste Darstellung des Prinzips der Pulsation, dessen episodische Kurzfassung oder gar emblematische Verbildlichung. Das Leben die absolute Metapher für das Universum? Hinfälligkeit durch den vertracktesten Komplikationsgrad als Fußnote zum Ganzen? (»Der Untergang der Welt am Leben«, 92).

      Die kosmologische Korrektur des ontologischen Anthropozentrismus̓ führt zur Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Weltuntergangs. Sie hat nur als an das Leben gestellte einen akuten Sinn. Ihre Antwort bekräftigt den Schrecken, den die Entdeckung der Entropie-Gesetze im 19. Jahrhundert schon einmal weckte. Der Untergang des Lebens auf der Erde – der ›Welt‹ in diesem Sinne – ist wahrscheinlich. Das ist nicht erst im Schatten des Atoms so. Es kann nicht anders sein (a.a.O., 94).

      Denn die Bedingungen des Lebens sind die, die die Verfassung der Welt ihm auferlegt. Die Rarität seiner Existenzbedingungen, der Kraftaufwand, sie zu erbringen und zu gewinnen, erzwingt die Rücksichtslosigkeit des Lebens im Verbrauch der ihm erreichbaren Ressourcen. Es ist kraft seines Wesens, und nicht nur aus Tücke oder Mißgestalt, zum Untergang verurteilt. Das Leben kann die Bedingnisse seines Fortbestandes nicht so schonen, daß seine Bedürfnisse ins Gleichgewicht mit ihrer Versorgung kämen. Denn es vollzieht sich als Selbstverzehr seiner Möglichkeit (a.a.O., 93). Für Leben, das sich erhalten will, gibt es kein anderes Mittel.

      Der Mensch steht zur Welt im Verhältnis wie die Mikroben, Bakterien und Viren zu ihm, die ihn befallen. Indem er wie sie seinen Wirt zerstört, vernichtet er sich selbst. Ihr ebenso stilles wie tödliches Wirken widerlegt den Gedanken, daß Leben ein Recht zu leben impliziert (a.a.O., 95), der allein den anderen von der unbedingten Pflicht zur Erhaltung des menschlichen beglaubigen könnte. Die Relativität des Schädlichen belehrt darüber: auch Mikrobe und Virus haben das Recht auf ›Befall‹ dessen, was für sie doch Medium ihres Lebens, der jeweils bessere Wirt ist, zu dem alles wandert, was wandern kann. Ein unbedingtes Recht auf Leben zuzugestehen, hieße, jede Tötung, die einem Weiterleben dient, zulassen zu müssen. Diese Konsequenz hat eine Variante der ›Tiefenökologie‹ denn auch allen Ernstes vertreten, mit dem Nebeneffekt, drastisch zu demonstrieren, daß man sich dumm denken kann (vgl. Birnbacher, Ökophilosophie). Folgerichtig in die ›Humanökologie‹ übertragen, folgte daraus, daß es kein Gesetz gegen Mord aus Habgier mehr geben dürfte. Gemordet wird immer um eines eigenen Lebensvorteils willen.

      Sich der Mikrolebewesen mit den Mitteln der Biochemie zu erwehren, hat inzwischen auf dem Weg der Resistenzbildung zur Umkehrung des Mittels geführt: was kurzfristig schützt, verschlimmert langfristig die Gefährdung. Der Weltuntergang könnte sich als Züchtungsprodukt der Resistenz einstellen, während die großen Bomben ohne Bedienungen rostend herumstehen, auf die alle den Richtstrahl der Angst konzentriert haben. Der Weltuntergang durch Mikroben wäre ein paradoxes Paradigma, denn im Moment des Triumphes hätten sich die Sieger selbst ums Leben gebracht (Blumenberg, »Untergang«, 96).

      Die tödlich endende Vireninfektion wird zum Modell des menschlichen Weltverhältnisses. Das Leben läßt sich die Medizin so wenig gefallen wie die Saurier. Die Niedermachung der Wirte durch die Gäste, das ist noch deutlicher das Grundmuster des Verhältnisses von Leben und Erde insgesamt als das berühmte ›Fressen und Gefressenwerden‹.

      Die Begrenztheit der Lebensreserven auf der Erde führt zwingend zu dem Paradox, die Vielfalt der Erscheinungsformen von Leben und die Quantität der verbleibenden extrem vermindern zu müssen, um ein mit ihrem Verbrauch immer geringeres Restleben möglichst lange aufrechtzuerhalten. Als wäre das zivilisatorisch ausgelöste massenhafte Artensterben eine Hilfestellung für die Erde, es möglichst lange mit immer weniger Leben aushalten zu können. Je weniger Leben sie zuläßt, desto länger wird es sie geben können, da sie selbst mit allem, was sie enthält, Bedingung seiner Erhaltung in ihr ist. Nur ohne Lebewesen hat sie eine Zukunft kosmischen Rangs. Aber ohne sie wäre sie nicht, was sie ist. Sie hat die Wahl: ihr Dasein nach den Zeitmaßen des Universums auszudehnen, oder für eine kürzere Dauer zu bleiben, was sie ist.

      So hieße, die Erde zu schonen und die Welt zu retten, Leben zum Verschwinden bringen zu müssen. Wie aber könnte dem zugestimmt werden, stammt der Rettungsimpuls doch aus vitaler Empathie, aus Furcht um das Leben auf der Erde?

      Eine Rechtfertigung ihrer Verwüstung durch den Menschen wird aus diesem unlösbaren Widerspruch nur ableiten, wer auf den metaphysischen Hochmut nicht verzichten mag, in ihm das Höchste und Bewahrenswerteste zu sehen, was die Welt enthält. Denn daß es kein Recht auf Leben gibt, rechtfertigt keinen Umkehrschluß auf ein Recht, zu zerstören, was es ermöglicht. Aber es kann die Welt nicht bewahren, sie zu schonen, solange es in ihr gibt, was für seine eigene Bewahrung darauf angewiesen ist, sie zu benutzen. Und jede Nutzung vernutzt das Genutzte.

      Die einzige Wohltat, die das Lebewesen Mensch ihr erweisen könnte, wäre, sich selbst aus ihr vollständig zu entfernen. Technisch ist das inzwischen sogar möglich geworden, wenn auch unwahrscheinlich, auch wenn es Atomkriege geben sollte, was wahrscheinlich ist. Der Preis dafür, die dazu vorhandenen Mittel anzuwenden, wäre allerdings ein Ausmaß an Verwüstung, das diejenige, die wir uns immer wieder zu unterlassen entschließen, noch bei weitem überträfe.

      Bedingung unseres Fortbestehens wäre die Bewahrung der Welt; deren optimales Gelingen aber unser Untergang.

      Welche Schlüsse immer man aus dieser Aporie ziehen mag, Resignation in die Untätigkeit der Vergeblichkeit muß es nicht sein; Verzicht auf die Heuchelei, unser Dasein wäre ohne Kosten für die Welt möglich, sollte es sein.

      Möglich bleibt, das Unvermeidliche als das Notwendige mit immer weniger Aufwand an Verbrauch aller Art zu tun – sich am Untergang der Welt am Leben mit dem eigenen so geringfügig wie möglich zu beteiligen. Und, darin einzuwilligen, mit dem eigenen Verschwinden aus ihr abzubüßen, dessen man unvermeidlich schuldig wurde, indem man lebte. Einverständnis mit dem eigenen Tod rechtfertigt, den der Gattung vermeiden zu wollen. Wie das Verschwinden der Welt ihr Preis dafür sein wird, das Leben geduldet zu haben.



Dieter Birnbacher, Hg., Ökophilosophie, Stuttgart 1997
Hans Blumenberg, Die Genesis der kopernikanischen Welt, Frankfurt a. M. 1975
Hans Blumenberg, »Der Untergang der Welt am Leben«, in: Die Vollzähligkeit der Sterne, Frankfurt a. M. 1997
Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung, Frankfurt a. M. 1979
Charles-Ferdinand Ramuz, Mass des Menschen (1935), Zürich 1949
Andreas Steffens, Ontoanthropologie. Vom Unverfügbaren und seinen Spuren, Wuppertal 2011

Letzte Änderung: 10.06.2024  |  Erstellt am: 10.06.2024

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