Plagiarismus

Plagiarismus

Problem auch jenseits der akademischen Welt?
Ein Dieb, der Ideen (Glühbirnen) stiehlt. Diebstahl ist vielfältig.  | © CC BY-NC 4.0

Mit der kürzlichen Entlassung der Harvard-Präsidentin, die des Plagiats beschuldigt wird, und mehreren anderen Skandalen auf höchster Ebene ist Plagiieren zu einem Problem in der Forschung und im wissenschaftlichen Publizieren geworden; im Folgenden soll erläutert werden, warum es nicht einfach sein wird, dieses Problem zu lösen.

Der Originalartikel ist in englischer Sprache im Impakter Magazin erschienen.

Die jüngste Flut von Plagiatsfällen hat die Grundfesten führender akademischer Institutionen und Forschungseinrichtungen erschüttert. Natürlich gibt es in jedem Bereich schwarze Schafe – Regierungen, Religionen, Medien, Musikindustrie, Bankwesen, Justizsystem, Flugzeugsektor – um nur einige zu nennen.

Aber wir neigen dazu, zu glauben, dass die Forschung, die von den angesehensten und klügsten Forschenden betrieben wird, zuverlässig ist. Wir gehen davon aus, dass jede Ungenauigkeit, jeder „ethische“ Verstoß oder Fehler, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, aufgedeckt, zugegeben und korrigiert wird, und die Schuldigen in diesem Zuge entsprechend verurteilt und hart bestraft werden.

Umso schockierender ist es, festzustellen, dass dieses Maß an Vertrauen selten gerechtfertigt ist. Während die überwiegende Mehrheit der Forschungsergebnisse von dem Fachkollegium gegenseitig bestätigt wird und solide ist, werfen diejenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, ein schlechtes Licht auf alle anderen, und lassen Zweifel und Unglauben aufkommen, sodass man sich fragt, wie viel Vertrauen man noch in die wissenschaftliche Objektivität haben darf.

Sowohl in der Vergangenheit als auch in jüngster Zeit gab es zahlreiche Beispiele für ein solches Fehlverhalten. Betrachten wir dazu Folgendes:

Jüngste Beispiele von Plagiaten

In den Vereinigten Staaten: In Europa:

Plagiate sind im Wesentlichen eine Form wissenschaftlichen Fehlverhaltens: Es handelt sich um den Diebstahl der Ideen anderer, um die eigene Karriere voranzutreiben und den eigenen Ruf aufzuwerten. Es ist nicht zu verwechseln mit jenem wissenschaftlichen Fehlverhalten, bei dem falsche wissenschaftliche Beweise erfunden werden, was einige Leute dazu gebracht hat, sich zu fragen, ob die meisten veröffentlichten Forschungsergebnisse falsch sind.

Das sind zwei verschiedene Arten des Fehlverhaltens: Die eine, das Plagiat, ist der Diebstahl von Ideen und anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen; die andere, schwerwiegendere, bekannt als statistisches P-Hacking, ist das Verändern der Bedingungen eines Experiments, um den Wahrscheinlichkeitsgrad der Ergebnisse „hochzuhacken“, d. h. künstlich statistisch signifikante Ergebnisse zu erzeugen. Dadurch wird der Eindruck erweckt, dass ein Ergebnis wahrscheinlicher ist als es tatsächlich ist, was zu falsch positiven Ergebnissen führen kann.

Während P-Hacking und Plagiat oft die gleiche Motivation haben, nämlich den Wunsch, positive Ergebnisse zu veröffentlichen, um Aufmerksamkeit zu erregen und von den Fachzeitschriften leichter akzeptiert zu werden, ist das Plagiat das kleinere Übel, da es nicht zu falschen Ergebnissen führt. Wie P-Hacking trägt es jedoch dazu bei, das öffentliche Vertrauen in die Integrität akademischer Arbeiten und wissenschaftlicher Forschung zu untergraben. Als solches muss es bekämpft werden.

Eine Lösung? Die Rolle von KI-gestützten Tools zur Plagiatsbekämpfung

In der Vergangenheit war das Erkennen von Plagiaten eine echte Herausforderung, wie das folgende Diagramm (aus dem Jahr 2011) zeigt:

Die Abbildung fasst die Eignung verschiedener Plagiatserkennungsansätze in Abhängigkeit von der vorliegenden Plagiatsform zusammen | © Foto: MrScip Flickr

Mit Hilfe von KI-gestützter Technologie – z. B. Turnitin, einem beliebten Tool zur Plagiatsbekämpfung – ist es nun viel einfacher geworden, plagiierte Texte zu identifizieren.

Dies kann positive Auswirkungen haben, wie in der kürzlich berichteten Erfolgsgeschichte des Einsatzes von Turnitin-Tools zur Verbesserung der Schreibqualität am St. Luke’s College of Medicine auf den Philippinen.

Die Entscheidung für den Einsatz von Turnitin war auf drei Faktoren zurückzuführen: den unschlagbaren Vorteil der Turnitin-Inhaltsdatenbank, die fortschrittlichen Fähigkeiten von Turnitin zur Erkennung von Textähnlichkeiten und die Möglichkeit der Integration von Turnitin in das NEO LMS von CYPHER LEARNING sowie in Google-Produkte, die das College bereits verwendete.

Allgemeiner ausgedrückt, werden wissenschaftliche Forschungsergebnisse, sobald sie veröffentlicht sind, zur „leichten Beute“ für die Öffentlichkeit und können widerlegt oder bestätigt werden. Mit anderen Worten: Wissenschaftler können Experimente wiederholen, und falsche Ergebnisse können (irgendwann) aussortiert werden.

Dieser Ausleseprozess wird durch Tools wie Retraction Watch unterstützt, das als eine Art Wächter fungiert und die Bemühungen um akademische Exzellenz (oder einfacher ausgedrückt: wissenschaftliche Wahrheit) fördert. So wurde kürzlich berichtet, dass Taylor & Francis fast zwei Jahre, nachdem sie gewarnt wurden, dass eine ihrer Zeitschriften einer Überprüfung unterzogen werden sollen, 80 in dieser Zeitschrift veröffentlichte Artikel zurückgezogen hat.

Auch wenn solche positiven Ergebnisse zu begrüßen sind, besteht kein Zweifel daran, dass wir es in den meisten Plagiatsfällen mit einem eskalierenden Katz-und-Maus-Spiel zu tun haben, das am Ende zu Spannungen in der akademischen Welt führt, die dem für eine fruchtbare Forschung erforderlichen ruhigen Umfeld nicht förderlich sind.

Kurz gesagt, Plagiate sind nach wie vor eine Herausforderung, weil sie mehrere Ursachen haben, die nicht immer leicht auszumachen sind. Die Wurzeln des Plagiats sind tief in der menschlichen Psyche und in der Struktur der Gesellschaft verankert, einschließlich des Umfangs, der dem Recht auf Meinungsäußerung politisch eingeräumt wird.

Drei Probleme, die gelöst werden müssen, bevor man Plagiaten das Handwerk legen kann

Kurz gefasst:

1. Wie bei anderen Verstößen scheint es, dass die Art und Weise, wie ein Plagiat geahndet wird, mehr mit der beschuldigten Person als mit dem begangenen Verstoß zu tun hat. Ein Plagiatsvorwurf kann in eine Welle von Kritik und negativen Kommentaren umschlagen oder ein unschöner Ausdruck von akademischer Rivalität sein. Kurz gesagt, es handelt sich um eine Art ausgeklügeltes Mobbing, bei dem Personen in der akademischen Hierarchie versuchen, andere am Aufstieg zu hindern.

2. Wenn Plagiate in der Öffentlichkeit auftauchen, können sie schnell zu einem Politikum werden. Susan Blum, Professorin für Linguistische Anthropologie an der University of Notre Dame, die in ihrem 2009 erschienenen Buch „My Word!“ die Entwicklung des Plagiats an der Universität untersuchte, stellte fest: „Ich glaube nicht, dass wir das Politische vom Plagiat trennen können, auch weil es oft der Fall ist, dass manche Menschen in bestimmten Momenten unter die Lupe genommen werden und andere in anderen Momenten nicht.“ Sie sagte das mit Blick auf Claudine Gay, aber die Bemerkung trifft genauso gut auf viele andere Fälle zu – zum Beispiel auf den oben erwähnten deutschen Verteidigungsminister.

3. Wir leben in einer Zeit, in der die schiere Menge an Wissen, die die Menschheit angesammelt hat, wahrhaftig überwältigend ist; und die Masse an Daten, die täglich gesammelt wird, beschleunigt sich mit dem Aufkommen der KI mit einem immer höheren Tempo. 1982 stellte Buckminster Fuller seine „Wissensverdoppelungskurve“ vor. IBM fügte dieser Kurve ihre Vorhersagen nach 1982 hinzu, und dies ist das Diagramm, das die Wissensexplosion darstellt:

Um 1900 verdoppelte sich das Wissen alle 100 Jahre, aber bis 2020 beschleunigte sich dieser Prozess dramatisch. | © Foto: Artikel aus

Plagiate scheinen fast ein unvermeidlicher Nebeneffekt zu sein, wenn wir uns immer höher in die Sphäre der Fakten und Erkenntnisse begeben. Wie sollten wir sie also kontrollieren?

Eine strenge Kontrolle durch künstliche Intelligenz ist eine Möglichkeit, könnte aber zu dem führen, was Susan Blum als „Plagiatsfundamentalismus“ bezeichnet, d. h. zu der Vorstellung, dass jeder Gedanke völlig neu sein muss. Sie argumentiert, dass dies unserer menschlichen Natur zuwiderlaufe, da wir von Natur aus zur Nachahmung neigen: „Wir haben so genannte Spiegelneuronen, die es uns ermöglichen, zu spüren, was andere Menschen tun, während sie es tun“, so Blum.

Auch John McWhorter, Linguist und Kolumnist bei der New York Times, meint, dass wir das Wort „Plagiat“ zu starr verwenden und seine Bedeutung „überstrapazieren“. Stattdessen sollten wir zwei Begriffe verwenden: einen für das tatsächliche Plagiat – oder das Stehlen der Idee(n) eines anderen – und einen weiteren für die etwas gedankenlose, unbeabsichtigte Übernahme von Klischees und Grundannahmen, die in jedem Wissensgebiet vorkommen.

Für diese Art von geringfügigen Übertretungen könnten wir seiner Meinung nach den bereits weit verbreiteten Begriff „duplicative language“ (kopierte Sprache) oder einfacher „cutting and pasting“ (Ausschneiden und Einfügen) verwenden.

Susan Blum schließt sich ihm an: „Es gibt eine Art Kontinuum zwischen Originalität und vollständigem Kopieren, und Sprache und Kultur liegen irgendwo in der Mitte.“

Ein Fortschritt?

Es besteht kein Zweifel daran, dass die kontinuierliche Anhäufung von Wissen, die auch in Zukunft keine Anzeichen einer Verlangsamung erkennen lässt, uns nur wenige Möglichkeiten lässt. Eine strenge Herangehensweise ist natürlich nicht wünschenswert, da sie wahrscheinlich als Kreativitätsbremse enden und möglicherweise einige brillante Köpfe abschrecken würde.

So müssen wir versuchen, Wege zu finden, übermäßige Plagiate zu erkennen und öffentlich zu machen, ohne die Kreativität zu beeinträchtigen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft und andere Bereiche zu erhalten. Keine leichte Aufgabe!

Nur das echte Original sollte geschützt werden. Abgesehen davon wird es immer Diskussionen darüber geben, was eine wirklich neue Idee und was eine abgeleitete Idee ist. Dies deutet darauf hin, dass ein „Mittelweg“ wahrscheinlich strengen Regelungen vorzuziehen ist – auch wenn dies für die Anhängenden des „Plagiatsfundamentalismus“ das Problem der Plagiate nicht lösen wird.

Der Originalartikel ist in englischer Sprache im Impakter Magazin erschienen.

Letzte Änderung: 21.06.2024  |  Erstellt am: 19.06.2024

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Kommentare

Ralf Rath schreibt
Welch überaus seltsame Blüten die akademische Rivalität in jüngerer Vergangenheit treibt, lässt sich schon daran erkennen, dass sogar nicht veröffentlichte Wissensbestände sich dem insbesondere im Internet vorauseilenden Schimpfklatsch ausgesetzt sehen, angeblich nichts weiter als, wortwörtlich, "dummes Gerede", "Geschwurbel", "pseudointellektuelles Geschwätz", "sinnentleertes Geschwafel" oder schlicht auch nur "Stuss" zu sein. Vor allem die klügsten Köpfe sehen sich dadurch bereits zuvor ins Verhältnis gesetzt, noch bevor sie auch nur einen einzigen Laut von sich gegeben haben. Der Theologe Joseph Ratzinger kritisiert dabei solch einen bis zum Äußersten getriebenen Relativismus, der für ihn längst diktatorische Züge trägt. Echte Originalität in den Wissenschaften zu finden, bleibt dann in der Tat gerade wegen der exponentiell sich vergrößernden Menge eine immer seltener von Erfolg gekrönte Suche.

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