Wo bist du?
Antworten, die man sich gibt, passen nicht unbedingt zu den Fragen, die man sich stellt. Von der Erkenntnis bis zum Rassismus spannt sich der Bogen der Gedanken, die Eldad Stobezki umtreibt. Schrift und Sprache, Gaza und die Geiseln sind die Dreh- und Angelpunkte in seinen Notaten. Es wird immer jemanden geben, der unbeeindruckt zusieht. Das muss man wohl hinnehmen.
„Ayeka?“, fragte Gott Adam. „Wo bist Du?“. Dieses Wort erscheint im Alten Testament nur ein Mal. Nach dem Genuss der verbotenen Frucht öffnete Adam die Augen, stellte fest, dass er nackt ist und versteckte sich vor Gott. Weil wir in der Öffentlichkeit nicht nackt dastehen wollen, (FKK-Strand ausgenommen) ziehen wir es oft vor, nichts zu wissen. Ich staune immer wieder, wie gut die Verdrängungsmechanismen funktionieren. Das betrifft jedes Land. Nicht wissen wollen hilft nicht. Wie oft wollte ich Gott fragen: „Ayeka?“
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Ich fahre mit der U-Bahn und denke wieder, wie viele Sprachen in Frankfurt gesprochen werden. Als Kind spielte ich mit meiner Mutter gerne Scrabble. Die exotischen Buchstaben Q, Y und Z gibt es nur ein Mal und dennoch kann man sie schwer einsetzen. Wie sehen die exotischen Buchstabensteine in Polnisch, Tschechisch und sonstigen Sprachen aus, die auf die Buchstaben Dächer setzen und unter den Buchstaben Wurzeln sprießen in Form von Strichen und Pünktchen. Die „Locke“ auf dem N in Spanisch sollte laut EU abgeschafft werden. Das ist aber zum Glück nicht geschehen und Spanien heißt noch immer España.
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Ich stehe auf der Rolltreppe, hinter mir telefoniert ein Mann auf Türkisch. Plötzlich sagt er auf Deutsch: „Das ist nicht für mich, das ist für die Kinder.“ Welches Drama mag dahinter stecken?
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In einer Talkshow, zu der unter anderem ein Koch und ein Psychologe eingeladen waren, gab es wieder Sprachperlen. Ich lachte, als der Starkoch „Niyokis“ sagte, und als der Psychologe „Traumatas“ sagte, weinte ich.
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Die Orthodoxen Juden in Israel interessieren sich nicht für die Gefangenen in Gaza. Sie planen schon die Besiedlung des Gaza-Streifens, und um Gaza araberrein zu machen, sind sie bereit, die Entführten zu opfern. Dabei ist die Erlösung der Gefangenen (Pidyon Shvuyim) eine religiöse Pflicht im Judentum. Es muss alles getan werden, um die Freilassung von Juden zu erreichen, die zu Unrecht gefangen sind. Da frage ich mich, was lernen sie in ihren Thoraschulen?
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Bei dem Gedanken, was die Entführten vom 7. Oktober durchmachen, wird mir physisch und psychisch schlecht. Zum Trost lese ich wieder das Bilderbuch „Die Umarmung“ von David Grossman. Ein Kind ist traurig, als es feststellt, dass jeder Mensch einzigartig ist. Aber zum Glück haben die Menschen etwas, was gegen die Einsamkeit hilft: Die Umarmung. In den letzten Wochen wurde auch ich von Freunden ganz anders umarmt als sonst. Dieses Buch ist ein Geschenk für Menschen in jedem Alter.
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Rassismus gibt es überall. Auf der Straße traf ich eine Bekannte, die mir erzählte, dass ihr Sohn mit einer Japanerin verheiratet ist und in Japan lebt. Die japanische Gesellschaft duldet keine Mischlinge, sie werden in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt und gesellschaftlich diskriminiert. Die Kinder müssen eine teure Privatschule besuchen. Das Paar hat beschlossen, keine Kinder in die Welt zu setzen.
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Letzte Änderung: 31.01.2024 | Erstellt am: 31.01.2024
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