Schleudersteine
Von der Waffenproduktion vor über 7000 Jahren in Israel bis zum israelischen Schriftsteller Meir Shalev, der sich für die Rückgabe der besetzten Gebiete ausgesprochen hatte und im April 2023 gestorben ist, schlägt Eldad Stobezki den Bogen seiner Notate. Shalevs erster Roman für Erwachsene, „Der russische Roman“, weiß noch nichts von Putins Krieg, aber von den Gründungsjahren Israels.
Ich sitze in der Straßenbahn und lese in Haaretz über einen Fund der israelischen Altertumsbehörde. Gefunden wurden 424 Schleudersteine, die auf die Existenz einer Waffenindustrie in Israel vor 7200 Jahren hinweisen. Der Ort des Fundes war im südlichen Galiläa.
Schleudersteine, die durch Drehen einer Schleuder, einer an zwei Seilen befestigten Ledertasche, über dem Kopf geschleudert wurden. Wurden sie im richtigen Moment losgelassen, waren sie eine wirksame und tödliche Waffe gegen einen mehrere Dutzend Meter entfernten Feind. Die Verwendung der Schleuder hat in Israel seit Tausenden von Jahren Bestand und ist auch aus der Geschichte von David und Goliath bekannt.
Die gefundenen Schleudersteine sind sich in ihrer Struktur und Größe sehr ähnlich. Ihre durchschnittliche Länge beträgt 52 mm, ihre Breite etwa 31 mm, ihr Gewicht 60 Gramm und sie laufen auf beiden Seiten in einen spitzen Doppelkegel aus. Die meisten Steine bestehen aus Kalkstein, einige sind aus Basalt. Der Entwurf stammt aus der nördlichen Levante, wo einige hundert Jahre zuvor ähnliche Schleudersteine aus Ton auftauchten. Die Serienproduktion der Steine hatte einen großen Vorteil. „Durch die Standardisierung kann man effektiv trainieren, und die aerodynamische Form erhöht die Reichweite, die Schlagfähigkeit und die Genauigkeit. Eine Salve von geschleuderten Steinen kann die Kampfstruktur des Feindes durchbrechen“, erklärte Dr. Haklai, der Archäologe, der die Ausgrabung durchführte.
Der Vergleich zwischen den verschiedenen Sorten der Steine zeigt den Forschern, dass es zu dieser Zeit organisierte Konflikte zwischen Armeen in der Gegend gab und dass die Bewohner gemeinschaftliche Anstrengungen in der Produktion von Munition und Waffen unternahmen. Ähnliche Steine wurden zuvor an anderen Orten in Israel gefunden, hauptsächlich im Hula-Tal, in Galiläa und im nördlichen Sharon, aber dies ist das erste Mal, dass sie in einer solchen Menge gefunden wurden. Die Forscher gehen davon aus, dass es in der Zeit einen Wandel in der Organisationsform des Kampfes der in der Gegend lebenden Gemeinden gab, die sich in der Massenproduktion statt in der Einzelproduktion von Schleudersteinen widerspiegelte.
Es hat sich nichts geändert, dachte ich. Die Schleudersteine von damals sind die Raketen von heute. In der Straßenbahn setzte sich ein junger Mann mit Migrationshintergrund mir gegenüber. Ich musste nicht lange überlegen welchen, denn sein Handy klingelte und er antwortete kurz auf Arabisch. Danach holte er eine Packung Waffeln aus seinem Rucksack und begann zu essen. Ich wünschte ihm guten Appetit und er hat mir sofort seine Waffeln angeboten.
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Ich denke immer noch an das Sandkörnchen aus Israel in der Ausstellung „Sand“ im Sinclair-Haus in Bad Homburg. Manchmal muss man eine starke Lupe haben, um die verborgene Grandezza der Schöpfung wahrzunehmen.
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Als ich einige Stunden später mit der Straßenbahn zurückfuhr, telefonierte ein junger Mann auf Italienisch. Er sprach sehr schnell und ich versuchte ein oder zwei Worte zu verstehen. Dann sagte er plötzlich mitten im Satz: „Laugenstange.“ Das habe ich verstanden.
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Am 26. November 2023 nahm Eva Demski zum letzten Mal teil in der Reihe „Lesenswert“ im Rahmen der LiteraturLounge. Sie stellte u. a. den ersten Roman von Meir Shalev vor. „Der Russische Roman“ ist 1988 in Israel und 1993 in Deutschland in der Übersetzung von Ruth Achlama im Diogenes Verlag erschienen. Dieser Roman ist bis heute ein Bestseller. Als Kontrapunkt zu den Ereignissen am 7. Oktober und danach, war es ihr ein Bedürfnis, noch einmal den Roman zu lesen, in dem Israel idealistisch, sozialistisch und naiv erscheint, als die Auferstehung eines Volkes im eignen Land noch Realität war, voller Hoffnung und Zuversicht. Die Diskrepanz von den Gründungsjahren zu heute, sei es politisch, gesellschaftlich oder wirtschaftlich betrachtet, kann nicht größer sein. Mit dem Tod von Amos Oz und Meir Shalev gehört diese Ära nicht nur literarisch endgültig der Vergangenheit an. Wer früher als Volontär in einem Kibbutz gearbeitet und dort vielleicht deutsche Juden getroffen hatte, und das „Alte Israel“ noch einmal erleben möchte, sollte alle Romane von Meir Shalev lesen.
Letzte Änderung: 12.12.2023 | Erstellt am: 12.12.2023
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