Mein Vaterland

Mein Vaterland

Notate Anfang Dezember
Bedřich Smetana | © Wikipedia

Wenn Böhmen am Meer liegt, muss es auch eine fließende Verbindung zwischen dem Komponisten Bedřich Smetana und Israel geben: Der Mitschöpfer einer tschechischen Nationalmusik, der für seine sinfonische Dichtung „Mein Vaterland“ mehr Anerkennung erhielt als für seine acht Opern – und Israel, das Vaterland Eldad Stobezkis, das er aus seiner Empörung über die Menschenopfer nicht ausschließt.

Im Radio läuft „Mein Vaterland“ von Bedřich Smetana. Als er diese patriotische sinfonische Dichtung komponierte, war er schon taub. Die Komposition beginnt mit zauberhaften Harfenklängen, die an Bardenmusik erinnern und von Szenen aus der böhmischen Geschichte und Sagenwelt, von Schlachtengetümmel und heldenhaften Kämpfen inspiriert sind.
Smetana höre ich immer gerne. Ich liebe es, wenn Elemente von Volksmusik und Brauchtum in der klassischen Musik verwendet werden. Im Hinterkopf aber blinkt die Warnlampe zu Nationalismus und Unterdrückung von Randgruppen. Das Harfenmotiv wurde zum Pausenzeichen des Tschechischen Rundfunks gewählt, und das Musikfestival „Prager Frühling“ beginnt jedes Jahr am 12. Mai, Smetanas Todestag.
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Auch Beethoven hat seine Missa Solemnis nie gehört.
Vielleicht muss man den Geräuschen der Welt gegenüber taub sein, um die innere Musik zu hören, die Musik, die uns mit Gott und der Schöpfung verbindet.
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In den letzten zwei Monaten, nach dem 7. Oktober, haben die israelischen Anti-Establishment Rappers ihre Richtung um 180 Grad gewendet. Sie haben die sogenannten „Giftlieder“ für die israelischen Soldaten veröffentlicht. In diesen Liedern erscheint immer ein „Geist“: „Hamas-Terroristen müssen für das, was sie getan haben, bezahlen. Es wird dauern, solange es dauert. Die Soldaten werden all unsere Unterstützung und Liebe erhalten.“ Gibt es Unschuldige in Gaza? Diese Frage wird in diesen Liedern nicht angesprochen.
Die Mainstream Schlager der in Israel bekannten Sängerinnen handeln nicht mehr von Chillen, Partys und dem Gefühl weiblicher Macht. Sie erfinden sich neu als „Kriegssängerinnen“ mit traurigen, nachdenklichen Liedern.
Es ist nicht klar, ob die israelische Musik wieder zu dem wird, was sie einmal war. Wird überhaupt etwas in uns zu dem zurückkehren, was vor dem 7. Oktober einmal war?
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In der Münchner Isarphilharmonie dirigierte Constantinos Carydis am 1. Dezember 2023 ein Konzert mit Werken, die von Volksliedern und Brauchtum beeinflusst waren. Von dem Griechen Nikos Skalkottas (1904 – 1949 Athen) gab es „Vier Bilder“. Die Sätze heißen: Die Ernte, die Saat, die Weinpresse, die Weinlese. Ich frage mich, warum er mit der Ernte und nicht mit der Saat beginnt. Sofort denke ich an Psalm 126: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“ Jetzt ist Erntezeit in den Kibbuzim am Gaza-Streifen. Die Gemüsefelder werden von vielen Volontären abgeerntet. Diese Ernte ist aber mit Tränen getränkt.
Vor vielen Jahren besuchten wir eine griechische Freundin in ihrem Dorf auf der Insel Euböa. Vom Strand führt eine Serpentinenstraße über den steilen Hang hinauf zum Bergdorf, wo Oliven wuchsen. An einer Stelle war ein Baum gefällt. Dort pflanzte eine alte Bäuerin einen neuen kleinen Olivenbaum und schleppte schwere Gießkannen mit Wasser. Sie wird die Oliven an diesem Baum wahrscheinlich nicht mehr reifen sehen. Die Selbstverständlichkeit, dass die Stelle nicht leer bleiben darf, hat mich sehr beeindruckt.
In der Zwischenzeit bombardiert die israelische Armee weiter Ziele im Gaza und niemand reagiert auf das, was in der Westbank passiert. Vermehrt schikanieren Siedler die Palästinenser, erschießen sie und verbrennen ihre Olivenbäume. Das scheint wirklich niemand zu interessieren, nicht in Israel und nicht in der Welt. Auch Olivenbäume haben ihr Schicksal.
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Während sich in Deutschland antisemitische Vorfälle verdoppeln und verdreifachen, beklagen die Diaspora-Juden, dass die Kunstwelt und generell die Öffentlichkeit nicht genug Empathie zeigt. Das mag sein. An Empathie für Unschuldige in Gaza denken die Juden aber nicht. Und weder Netanjahu noch einer seiner Minister besuchte eine einzige Beerdigung der Opfer in den zerstörten Kibbuzim. Auch zur Trauerwoche erschien keiner von diesen Ignoranten, die mit Recht fürchteten, dass man sie gleich rausschmeißt, wenn sie irgendwo aufgetaucht wären. Wo sind diesbezügliche Kommentare von den jüdischen Gemeinden in Deutschland?
Die Gelder für den Etat 2024, die durch die Koalitionsverträge an die orthodoxen Juden gehen sollen, wurden genehmigt. Das Geld würde aber für Verteidigung und Wiederaufbau dringend benötigt. Niemand braucht Millionen, weder für das Ministerium für Jerusalemer Angelegenheiten und jüdische Tradition, noch für das Ministerium für Dienstleistungen zur Religionsausübung. Diese Fantasie-Ministerien schlucken nur Geld, das an anderer Stelle fehlt.
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Wenn ich im Internet die Beschreibung von gebrauchten Büchern lese, muss ich an mich denken. Da steht: „Verlagsfrisch, neu und ungelesen“, das bin ich nicht mehr. „Exemplar mit normalen Gebrauchsspuren, mehrmals gelesen, leichte Knicke am Einband“, würde schon eher passen. Es gibt auch die Variante mit „deutlichen Gebrauchsspuren und zahlreichen Mängeln, Knicken und Flecken, leichte Risse.“ Noch bilde ich mir ein, dass ich keine Ramschware bin. „Ein Buch mit fehlenden Seiten kann man nur anbieten, wenn es um ein historisches Dokument geht.“ Bin ich schon historisch?

Letzte Änderung: 20.12.2023  |  Erstellt am: 20.12.2023

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