Irrsinn
Was jemand im Schilde führt, war ein Wappen oder eine Farbe, das oder die einen gut eingerüsteten Ritter im Mittelalter kenntlich machte. Freund und Feind waren durch diese heraldischen Symbole annähernd auszumachen. Wer heute mit Fahnen, Pappschildern oder Opferfotos seine Gesinnung kundtut, wird auch ohne Rüstung ebenso sortiert. Eldad Stobezki notiert Aufstieg und Verfall von Symbolen.
In der Bergerstraße eröffnet demnächst ein koscheres Restaurant. Vor der Renovierung beklebte der neue Inhaber, ein israelischer Gastronom, das Fenster von innen mit Fotos der Entführten des Massakers der Hamas am 7. Oktober 2023. Vor einigen Tagen sprach ich mit Umut darüber, einem Geschäftsinhaber mit türkischem Migrationshintergrund, den ich gut kenne. Sein Laden befindet sich in unmittelbarer Nähe des neuen Lokals, und er sagte mir, dass er und viele andere muslimische Geschäftsinhaber in diesem Abschnitt der Straße der Meinung sind, dass man Politik und Geschäft getrennt halten sollte. Zunächst war ich sprachlos. Dann fragte ich ihn höflich, ob er sich durch die Fotos persönlich angegriffen fühle. Er merkte, dass er mir das vielleicht nicht so offen hätte sagen sollen, aber wir waren bis jetzt immer ehrlich zueinander. Umut versuchte seine Aussage abzuschwächen.
Ich ziehe daraus zwei Schlussfolgerungen: Die eine, dass Muslime, beobachten sie andere Muslime bei der Ausübung von Gewalt, Unbehagen empfinden und den latenten muslimischen Antisemitismus verdrängen. Die zweite, dass ich sicher bin, wie die jüdischen Institutionen in Deutschland vor dem Massaker reagiert hätten, wenn in den von Arabern und Türken geführten Läden in Deutschland Fotos aufgehängt worden wären, die zeigen, dass die Siedler in der Westbank Häuser zerstören, ganze Olivenplantagen abhacken, Ziegenherden und Ländereien stehlen. Von Muslimen habe ich aber auch viel Solidarität erlebt, und das lässt hoffen.
Der neue Irrsinn: Es gab ein Treffen von Ministern und Knesset-Mitgliedern in Jerusalem, das zum Ziel hatte, den Gaza-Streifen ethnisch zu säubern und mit Juden zu besiedeln. Und noch ein Irrsinn: In Deutschland trafen sich Rechtsradikale in der Nähe von Potsdam, um über eine Remigration von Flüchtlingen zu diskutieren. Auch darüber sprach ich mit Umut, der dazu bemerkte „Würden die 5,5 Millionen Muslime in Deutschland eine Woche lang die Arbeit niederlegen, wäre das Thema Remigration schnell vom Tisch.“
Zum Internationalen Holocaustgedenktag sagte Margot Friedländer: „Es gibt kein christliches Blut, es gibt kein muslimisches Blut, es gibt kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.“
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Dann lese ich, dass der israelische Minister für die Diaspora und Bekämpfung von Antisemitismus, Amichai Shikli, sich in Israel „inoffiziell“ mit einer Delegation der Schwedendemokraten getroffen hat. Als „Freundin“ Israels versucht diese Partei, ihre antisemitischen und rassistischen Ansichten weiß zu waschen. Natürlich beinhaltete der Besuch auch eine Führung in Yad Vashem, wo sie sagten: „Es ist klar, dass wir mit Israel gemeinsame Werte teilen.“ Leider stimmt das.
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Das KaDeWe, einst das Aushängeschild des Kapitalismus gegen die Sowjetunion, meldete Ende Januar Insolvenz an. Es wird sicherlich eine Lösung gefunden werden, dieses traditionsreiche Haus zu retten. Aber ich frage mich, ob ich wirklich eine Theke mit tausend Sorten Fleisch und 250 Sorten Salami brauche, und wie dekadent das ist. Immer weniger Menschen können sich den Luxus leisten, der dort angeboten wird. Auf Qualität wird heute immer weniger geachtet. Es wird billig gekauft und schnell entsorgt. Von Fachberatung haben die meisten Konsumenten keine Ahnung mehr. Vor Russland brauchen wir nicht mehr zu protzen, im Moskauer Kaufhaus GUM bekommt man alles, was es im KaDeWe gibt.
Was mir Anfang der 1980er Jahre im KaDeWe am meisten gefiel, war die Tee-Abteilung unter der Regie von Frau Heinemann, zu der alle Tee trinkenden Schwulen in Berlin pilgerten.
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Ich lausche dem Telefonat einer Gymnasiastin in der U-Bahn. AttrakTIV – ja, DaTIV – nein.
Letzte Änderung: 21.02.2024 | Erstellt am: 21.02.2024
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