Wieder in Bewegung
Der in Indien lebende Drehbuchautor und Regisseur Siddharth Chauhan aus Shimla, der zu den jungen Nachwuchsfilmern gehört, erzählt in seinen Arbeiten Geschichten aus seiner Heimatregion in den Bergen von Himachal Pradesh. Clair Lüdenbach sprach mit Siddharth Chauhan über seine Filme und die Situation in Zeiten von Corona.
Clair Lüdenbach: Wie wurden sie Filmemacher? War es ein Wunsch seit Ihrer Kindheit?
Siddharth Chauhan: Ja, ich wuchs in einer wunderbaren Stadt in den Bergen auf, in die viele Produzenten für ihre Filmdrehs kamen. Einmal kam ich auf dem Weg zur Schule an einem Filmset vorbei. Das fand ich so inspirierend, dass ich mehr darüber erfahren wollte. Da begann ich, über Filme zu lesen, und langsam entdeckte ich auch die Welt des internationalen Films. Ich verliebte mich in den Prozess des Filmmachens. Ich glaube, ich habe mich mit dem Filmemachen verheiratet und genieße mein Eheleben sehr.
Wo haben Sie dann das Filmemachen gelernt?
Ich habe kein formelles Filmstudium absolviert. Ich lernte durch das Anschauen von Filmen, durch Bücher, die ich gelesen habe, und am wichtigsten durch das Filmemachen selbst.
Welche Themen interessieren Sie? Gibt es ein zentrales Thema?
In der Regel schreibe ich nicht mit einem bestimmten Thema im Kopf. Das würde mich einschränken. Im Gegenteil, ich schreibe zuerst über etwas, das mich fasziniert, und dann finde ich den Filmtitel. Einen Titel, der den Film repräsentiert, aber nicht notwendiger Weise den Inhalt preisgibt. Für mein Empfinden kann ein Film viele Themen beinhalten. Wenn ich ihre Frage beantworten möchte, dann würde ein Thema „menschliches Verhalten“ sein.
Planen Sie, in Zukunft auch über politische Themen zu schreiben?
Ich weiß es nicht. Wenn ich mit dem Schreiben beginne, dann habe ich keine politischen oder sozialen Themen im Fokus, denn das ist etwas Externes. Filme sind etwas Internes. Es geht um die Erzeugung einer einmaligen inneren Erfahrung für den Zuschauer und nicht, sie von einem Thema zum nächsten zu führen. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass keine Kunst apolitisch ist. Die Menschen sind von Natur aus politisch, und genau so ist auch ihre Umgebung. Alles wird zu einem politischen Spektakel.
Shimla liegt hoch in den Bergen des Himalayas. Gibt es dort eine Filmszene, ein Zentrum für Film, oder ist das eine One-Man-Show?
Als ich 2013 begann, Filme zu drehen, gab es keinen unabhängigen Filmemacher in Shimla. So musste ich zu Anfang alles alleine machen. Die meisten Leute, die sich fürs Filmemachen interessierten, zogen fort. Ich wollte nie fort, denn ich sah ein großes Potential in meinem Heimatort. Nachdem ich kontinuierlich Filme gemacht hatte und einige Preise gewonnen hatte, fühlten sich viele angeregt, das Gleiche zu versuchen. Mittlerweile gibt es viele Filmemacher. Heute stelle ich Teams aus Freunden und Filmenthusiasten zusammen und bilde sie aus. Ich ziehe es vor, in einem Team zu arbeiten. Es gibt kein Filmzentrum im eigentlichen Sinne, aber in einer Kleinstadt ist es leicht, sich mit Gleichgesinnten zusammen zu finden.
Haben Sie ein eigenes Equipment oder gibt es Leute in Shimla, die das anbieten?
Ich miete mir immer mein Equipment. Es macht keinen Sinn, in diese Technologie selbst zu investieren, besonders wenn es um Kameras geht, denn die Technologie ändert sich ständig. Deshalb ziehe ich es vor, mein Equipment in Delhi zu mieten oder einer näheren Stadt. Es gibt hier vielleicht ein paar Leute, die eine eigene DSLR Kamera besitzen, aber ich würde kein Sound- und Licht-Equipment finden.
In welcher Sprache drehen Sie ihre Filme?
Im Bereich Film experimentiere ich gerne mit vielen Sprachen. Bisher habe ich Filme auf Hindi, Englisch, Tibetisch und Pahari gedreht. Im täglichen Leben sprechen wir Hindi, aber es gibt auch so viele Dialekte, die man in meinem Heimatstaat spricht. Pahari ist die am meisten verwendete Sprache. Die Dialekte aus Sirmaura, Chambiali und Mandeali (Regionen in Himachal Pradesh) sind Variationen der Pahari-Sprache. „The flying trunk“ ist in einem gefährdeten Dialekt von Pahari gedreht.
Ist das ihre Muttersprache?
Nein, meine Muttersprache ist Hindi.
Allein in Indien gibt es so viele verschieden regionale Filmindustrien. Sind Sie mit all denen vernetzt?
Nein, das bin ich nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, ich versuche es nicht einmal. Denn, was ich so inhaltlich sehe, kommt aus der sogenannten „Filmindustrie“ und ist einfach zu konventionell, formalistisch und kommerziell. Die einzige Filmindustrie, mit der ich locker verbunden bin, ist die Hindi Filmindustrie, die in Mumbai beheimatet ist. Ich hoffe, wir haben bald eine Himachali Filmindustrie!
Wie ist die Situation in dieser Zeit während des langen Corona Lockdowns?
Als es anfing, da hat mich das etwas gestresst, und ich geriet für ein Weile in Panik. Was meine Arbeit betrifft, da arbeitete ich sowieso an etwas Neuem und hatte plötzlich die Zeit, mich da total hineinzustürzen. Deshalb nutzte ich die Zeit zum Schreiben. Das war die eine Seite. Aber gleichzeitig arbeitete ich an einem Film, der in der Postproduktionsphase war. Diese Arbeit ruhte ungefähr fünf Monate. Zum Glück ändert sich die Situation jetzt gerade, und alles schwingt zurück zum früheren Stand. Ich glaube, fast jeder im Land ist zu seiner Arbeit zurückgekehrt, wobei wir alle Vorsichtsmaßnahmen einhalten. Die Dinge sind wieder in Bewegung.
Wie war die Situation in Shimla?
In Shimla war es nicht so schlimm. Denn sobald der Lockdown begann, war die Regierung unseres Staates (Himachal Pradesh) sehr vorsichtig, indem er alle Vorsichtsmaßnahmen beachtete und alle Lockdown-Bestimmungen einhielt. Man war sehr schnell in der Durchsetzung aller Verordnungen. Aber im Verlauf der Zeit haben die Infektionen zugenommen. Jetzt sind die Leute in bisschen gleichgültig geworden und man könnte sagen sorglos und entspannt.
Ich habe aus anderen Teilen Indiens gehört, dass die Armut zugenommen hat und viele Leute ohne Einkommen dastehen.
Ja, das stimmt. Als die Regierung den Lockdown für alle verkündete und alle innerstaatlichen Transportwege sperrte, da tat sie das ohne Rücksicht auf die Situation der einzelnen Menschen. Die Privilegierten konnten sich selbst helfen, aber die Unterprivilegierten mussten leiden. So viele Arbeiter konnten nicht nach Hause und mussten meilenweit laufen. Die Taglöhner litten am meisten. Viele Künstler hatten kein Einkommen oder erhielten ihre Löhne verspätet.
Gab es irgendeine staatliche Unterstützung? Was macht ein Filmschaffender, wenn er nicht arbeiten kann? Er muss von irgendetwas leben.
Die Regierung unterstützte insofern, indem sie alle Hausbesitzer bat, ihre Mieter nicht zu drangsalieren. Außerdem wurden die öffentlichen Plätze desinfiziert! Die Arbeitssituation der Filmmacher ist völlig anders. Ich arbeite meistens von zu Hause aus und lebe von Erspartem. Meiner Ansicht nach leben unabhängige Filmschaffende sowieso nicht von einem regulären Einkommen aus ihren Filmen oder Gehältern. Allerdings muss man bereit sein, alles zu tun, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, vor allem in Zeiten der Bedürftigkeit! Was mich betrifft, so hatte ich ein Heim, zu dem ich zurückkehren konnte, deshalb war es nicht so schlimm. Diese Pandemie hatte alle vereint und ich glaube, alle versuchten, so hilfreich wie möglich zu sein.
Letzte Änderung: 19.07.2021
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