Spread the Roomers

Spread the Roomers

Eine Story aus dem roomers magazine
Micky (links) und Alex auf der Baustelle ihres allerersten Roomers Hotels in Frankfurt im Jahr 2008 | © DESIGN HOTELS TM, GEKKO GROUP

Die Roomers Bar vereint das Beste aus mehreren Welten. Popkultureller Swag und weiche Nischen treffen auf edles Design und hohe Kunst, auch was die Barkeeper*innen der preisgekrönten Hotelbar angeht. Herz und Seele des Frankfurter Design Hotels, die Bar mit der zentral gelegenen, glänzend schwarzen Theke, besticht durch Dunkelheit, und zwar die Art von Dunkelheit, so scheint es mir, die es dem Sternenhimmel im Indischen Ozean erlaubt, heller zu leuchten als es in Städten üblich ist. Dieses Gefühl für Licht und der Sinn für menschliches Zusammensein ist kein Zufall. Es hätte mittlerweile alles auch ganz anders aussehen können. Nach einem großen Wasserschaden vor anderthalb Jahren, bei dem die Decke plötzlich herunterbrach, ergab sich die Möglichkeit, die Bar komplett neu zu gestalten, doch man baute sie genauso wieder auf, wie sie vor weiteren achteinhalb Jahren ursprünglich erdacht wurde; als eine Welt, die das Restlicht des Alltags absorbiert.

Story / Sarah Schuster
Photography / Design Hotels TM, Gekko Group

Die Macher der Roomers Hotels, des Bristol, Pure und des Provocateur Berlin, visionären Ziehväter der Gerbermühle und Gründer der Gekko Group, Micky Rosen und Alex Urseanu, haben diese Entscheidung nicht bereut. Sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass man an diesem Ort innere Gelassenheit, die oft schwer zu finden ist, förmlich anfassen kann und einem hier Stress wie Zeit durch die Finger rinnt. Es fühlt sich gut an.

Wir tauchen in eine der Nischen ab. Im schwarzen, runden Tisch spiegelt sich über versunkenen Köpfen ein dunkles Korallenriff. „Wir haben die Bar so gelassen, wie sie war, weil die Menschen sie so lieben, wie sie ist“, meint Micky Rosen. „Man könnte jetzt sagen, dass die Leuchter vielleicht nicht mehr so hip sind, aber sie sind ein Teil des Ganzen.“ Ich verstehe und denke nicht, dass es den Leuchtern an etwas fehlt. Sie sind so authentisch und unkonventionell wie meine Gegenüber. Ich wittere Street Credibility und frage mich, ob mein Gefühl in Urseanu und Rosen etwas auslöst.

„Glaubwürdigkeit ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die im Wohlstand und in der Welt, in der wir leben, vielfach verloren gegangen ist“, sagt Alex Urseanu, bevor das eigentliche Gespräch beginnt. „Von der Straße ist negativ behaftet, obwohl es nicht negativ ist. Gerade vor zwei Wochen schrieb uns eine Frau an und berichtete, dass sie auch in Bukarest geboren sei und mit großem Interesse verfolge, was ich mache. Sie arbeite für eine Organisation, die Menschen mit einer schwierigeren Geschichte in die Arbeitswelt integriert. Menschen, so bedauerte sie, die wahrscheinlich nie in einem unserer Betriebe arbeiten könnten.“ Urseanu macht eine Pause. Seine Hand fällt schwer auf den Tisch. „Als ich diesen Satz gelesen habe, habe ich gedacht: Nein!“ Sie sei erstaunt gewesen, dass am nächsten Tag ein Treffen zustande kam. „Ich bin mit existenziellen Nöten groß geworden“, fährt er fort. „Man braucht ein bisschen Glück, gutes Timing, die richtige Person, die einen etwas zieht, aber man kann aus eigener Kraft extrem viel erreichen.“

„Wenn Du nicht aus einem reichen Elternhaus kommst und als Kind viele Rückschläge hattest, macht Dich das stärker“, bestätigt Rosen. „Wenn mal etwas schief geht, weißt Du, damit umzugehen. Man landet auf den Füßen.“ Der Gedanke an die eigene Kindheit geht fließend in die Gedanken um die eigenen Kinder über. „Meine Kinder haben das Glück, sich aussuchen zu können, wo sie studieren möchten. Alles ist möglich. Bei mir wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Rosen ohne Anzeichen von Missmut. Im Gegensatz, ein Lächeln. „Wenn es bei ihnen nicht möglich gewesen wäre, dann hätten sie sich selber durchbeißen müssen, und das wäre ebenso gut gewesen. Ich habe das ja auch gemacht und mir hat es nicht geschadet. Unsere Kinder sind sehr dankbar und nehmen nichts für selbstverständlich. Immer nur weich zu fallen ist nicht gut für die Entwicklung.“ Mir wird schnell klar, dass ich nicht nur zwei passionierten Hoteliers, sondern Vätern gegenübersitze. „Ich habe immer gehofft“, setzt Urseanu an, „dass es mir gelingt, dass es meinen Kindern auf der einen Seite an nichts fehlt und dass sie auf der anderen Seite mit jedem kommunizieren können, dass sie jedem Menschen in die Augen schauen.“ Durch den kreisrunden Tisch wird gegenüber zu nebeneinander und schließlich zu miteinander. Herr Urseanu und Herr Rosen sind Alex & Micky.

Alex und Micky scherzen herum, 2008 | © Foto: DESIGN HOTELS TM, GEKKO GROUP

ANDERS, GLÜCKLICH

Nicht nur mit Blick auf Amerika unter Trump, sondern auch auf Deutschland leben wir in einer Zeit, in der es unglaublich gefährlich geworden ist, anders zu sein. Die Roomers Hotels, und das gilt wohl für alle Projekte der Gekko Group, hingegen strahlen Internationalität, Offenheit und Toleranz, Selbstbestimmung und die Freude an intensiven Erlebnissen aus. Diese freiheitlichen Werte scheinen spürbar in die DNA dieser Häuser eingeschrieben zu sein. „Das kommt wahrscheinlich auch von unserer Herkunft“, erklärt Micky. „Wir sind beide jüdischen Glaubens und wissen alle um die Geschichte. Unsere Firma ist multikulturell. Deutsche, Muslime, Buddhisten, wir haben alles. Wir machen das nicht bewusst, aber mit einem Blick auf die Geschichte und aufgrund unserer Erziehung und der Art, wie wir aufgewachsen sind, sind uns liberale Freiheiten überaus wichtig.“

Im stillen Wasser gibt es gefährliche Strömungen. „Ich mache mir große Sorgen“, sagt Micky, „wenn ich sehe, wie in Europa die Wahlen ausgehen und Rechte immer mehr nach vorne kommen. Das ist ein großes Problem.“ Geteiltes Unbehagen in nachdenklichen Blicken. „Ich bin kein Politiker“, fügt er hinzu, „aber in unserer Branche leisten wir unseren Beitrag dazu, weltoffen zu sein und keine Barrieren in dieser Richtung aufkommen zu lassen.“ Solidarisch für eine bessere Welt zu stehen, erlaubt es, frei zu atmen. Ich hole tief Luft und lasse mich wieder treiben. „Es ist schwerer geworden, anders zu sein“, stimmt Alex zu. „Es wurde besser nach dem Krieg, aber in den letzten Jahren ist es leider schlechter geworden. Unabhängig von Trump oder anderen faschistoiden Führern in der Welt, oder einer Merkel, die, egal, wie gut sie mal war, in den letzten Jahren im Grunde genommen nichts wirklich entscheidet – egal, was sich in der Politik tut und egal, welche Idioten heute die Welt bestimmen, ich glaube, dass wir mit dem, was wir machen, in unserem Bereich mit der Weise, wie wir Menschen zusammenbringen, die Welt ein bisschen besser machen.“ Mein Blick gleitet die schwarzen Rillen am Rande des ovalen Tresens entlang und trifft auf Gespräche, fließende Bewegungen und glückliche Gesichter. Das glaube ich auch.

„Das heißt aber nicht, dass es hier jedem gefällt“, gibt Micky zu bedenken. „Wir sind ein Nischenprodukt. Everybody’s Darling zu sein ist nicht unser Ding. Du kommst rein und liebst es oder Du liebst es nicht. Ich kann auch jeden verstehen, der es nicht mag. Man taucht in eine dunkle Welt ein. Wir leben die Nacht. Es ist nicht jedermanns Sache. Wer zufällig hier strandet, kann auch sagen: Oh mein Gott, wo bin ich hier gelandet?“ Fair enough. „Wenn man die Nische bedienen will“, so Micky, „wenn man besonders sein will, darf man keine Probleme damit haben, auch mal nicht gemocht zu werden.“

Was macht Alex und Micky anders? Ich schätze, sie haben keine Angst davor, Dinge anders zu machen und umzusetzen. Das bedeutet, nicht immer den sicheren Weg zu gehen nach dem Motto, dass man so nichts falsch machen kann. „Du musst Ecken und Kanten haben“, bringt es Micky auf den Punkt. „Was ist perfekt und wer sagt, was perfekt ist? Es ist viel einfacher, ein Regelbuch aufzustellen, aber es wird auch nie spannend werden, sondern immer das Gleiche bleiben. Wir versuchen, für unsere Glückseligkeit Dinge anders zu machen und haben das Glück, dass es vielen anderen auch gefällt.“

Originalseite aus dem roomers paper | © Foto: DESIGN HOTELS TM, GEKKO GROUP / roomers paper

MEET GORDON GEKKO

Das Roomers sollte zunächst Gekko heißen. Es hat mich immer gewundert, was es eigentlich mit dem von Michael Douglas glänzend performten Antihelden Gordon Gekko auf sich hat. „Vor Lehman Brothers galt in der Welt, in der wir lebten, Investmentbanker als ein cooler Beruf. Nadelstreifenanzüge aus dem schönsten Stoff, Hosenträger, gestreifte Hemden, Manschettenknöpfe, Gel im Haar. Coole Jungs, die mit Millionenbeträgen spielen“, erzählt Alex mit einer Leidenschaft für diese Ästhetik, deren Flamme über die Jahre kein bisschen schwächer geworden zu sein scheint. „Auf einmal ist aus drei Kühen eine ganze Kuhherde geworden und keiner weiß, woher. Jede Hausfrau hatte sich etwas geliehen, damit sie sich auch irgendwelche Aktien kaufen kann. Ich habe damals nur keine Aktien gekauft, weil ich kein Geld hatte.“ Alex lacht auf.

„Gekko war extrem sexy“, setzt er fort. „Dieses Gesamtgefühl. New York, Manhattan, Frankfurt, Mainhattan, Börse. Wir hätten den Mut gehabt, ihn trotz seiner Skrupellosigkeit wegen anderer Eigenschaften zu nehmen, doch nach Lehman war erst einmal jede Sexyness dahin.“ Als der Name Roomers fiel, wollte man Gekko aber doch nicht ganz loslassen. Die Holding Gekko Management wurde ins Leben gerufen. Im Anschluss wuchs die Gekko Group heran. „Unabhängig von Michael Douglas finde ich, dass sich Gekko gut schreibt und gut spricht“, erklärt Alex. „Es hat einfach eine gute Optik. Gekko ist eine Mischung aus Erotik, Kante und Charakter.“ Ich sehe ein, das passt.

Das Roomers hat schwer unter der globalen Finanzkrise gelitten. „Als wir das Roomers eröffneten, war es einer der größten Tiefpunkte unseres unternehmerischen Daseins“, erinnert sich Alex. „Wir hatten kein Geld mehr und keiner hat uns gebucht.“ Die Bar lief vom ersten Tag an. Ob Kummer oder Freude, ein Drink ist nie verkehrt, was jedoch nicht lief, waren Restaurant und Hotel. Grund dafür war die Verschärfung interner Spesenauflagen, wie Micky mich aufklärt. „Keiner hat sich mehr getraut, eine teure Flasche zu bestellen. Firmen haben gesagt, sie können keine teuren Hotels buchen. Plötzlich stand die Frage im Raum, ob wir das Konzept ändern, im Restaurant den Kaviar von der Karte nehmen und ein Bistro draus machen. Wir hätten in Panik geraten und uns anpassen können, aber so sind Alex und ich nicht. Wir haben an unser Konzept geglaubt und es durchgezogen. Es hat nicht nur Alex und mich, sondern auch die Teams und Mitarbeiter näher zusammengebracht.“ Neben Mickys Worten ein Leuchten im Dunkel. Sowohl in der Bar als auch im Restaurant sitzt man auf samtigem Gold. Ich beobachte die Barkeeper*innen, die auf Zuruf Schöpfung in die Welt setzen, Cocktails auf Eis wie Diamanten, und bin froh, dass es so geworden ist.

DIE ZUKUNFT

Möglichkeiten sind virtuell. Trotzdem frage ich mich, wie die Zukunft der Gekko Group wohl aussieht, oder besser, ich frage Alex und Micky. „Im Grunde müsste ich Micky zu einer Stilikone machen“, sagt Alex. „Er ist ein Chirurg mit messerscharfem Blick für Musik, Design, für Licht und Geruch, Klamotten und Trends, den man nicht lernen kann. Es gibt keine Entscheidung, die Micky trifft, bei der Kommerz im Vordergrund stünde oder mit der er jemandem etwas Schlechtes tun würde. Micky vertraut mir und ich vertraue ihm. Mehr geht nicht.“ Das Fundament entscheidet, wie robust das Gebäude ist. Ich habe das Gefühl, dass hier zwei Menschen aufeinandergetroffen sind, die, so unterschiedlich sie sind, eine Einheit geschaffen haben, in der sie wiederum ihre Eigenheiten nicht verloren haben. Das ist nicht einfach.

„Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Roomers habe ich zum ersten Mal verschiedene E-Mails und Nachrichten bekommen, in denen uns die Leute nicht in erster Linie zum Erfolg gratulierten, sondern sich bei uns für Dinge wie Großzügigkeit, ein offenes Ohr oder Rat bedankt haben“, erzählt Alex. „Ohne euch hätte ich nie meinen Mann, meine Frau oder meinen Freund kennengelernt, hieß es beispielsweise. Das waren Sachen, für die ich Tränen hatte.“ Zehn Jahre Roomers. Wenig Schlaf, viele Risiken. Nicht immer unbedingt Lust haben, den weiteren Schritt zu gehen, der weh tut. Sich permanent selbst hinterfragen und die Kraft aufbringen, anderen ein gutes Gefühl zu geben, auch wenn es einem manchmal nicht gut geht.

„Als ich jünger war, habe ich in einer Jugendbewegung gearbeitet und war irgendwann Leiter eines Wintercamps“, erinnert sich Alex. „Du kriegst kein Geld und wenig Schlaf, aber am letzten Tag stehst Du auf einem großen Platz mit hunderten Kindern und bekommst, auf Hebräisch heißt das כיפאק, Kifak, Beifall. Alle bedanken sich bei Dir für die schöne Zeit. So war auch unser Zehnjähriges. Ich bin weniger stolz auf die Betriebe, die wir haben, und die Gekko Group in materieller Hinsicht als auf die Menschen, die mit uns gewachsen sind. Wenn Du mich fragst, was mein Lieblingsbetrieb ist, würde ich Dir meine Lieblingsmenschen aufzählen.“

„Wir fühlen uns wohl“, sagt Micky zufrieden. „Wir wollen auf gesunde Weise wachsen. Wir kriegen sehr viele Angebote, die man zwar machen kann, aber knapp kalkuliert sind. Deswegen verwerfen wir auch viele Sachen.“ Ob ihre Kinder irgendwann etwas mit Gekko zu tun haben werden, wissen Alex und Micky nicht. „Wir haben unsere Kinder nicht dazu erzogen, in unsere Fußstapfen zu treten oder etwas Bestimmtes zu lernen“, erklärt Micky. „Wir würden uns natürlich sehr freuen, aber sie sollen das machen, worauf sie Lust haben.“ Ich schaue mich noch einmal um, bevor wir aus der Nische wiederauftauchen, und bin mir sicher, dass ich bald wieder hier sein werde. „Alles ist möglich, aber nichts muss sein“, fasst Alex abschließend zusammen. „Das ist die kürzeste Antwort, die unsere Zukunft womöglich am besten beschreibt.“

Letzte Änderung: 03.08.2024  |  Erstellt am: 02.08.2024

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