Sprachgeschichten

Sprachgeschichten

Buchbesprechung
Gaston Dorren

Zuerst im Kielwasser der Debatten um die Rechtschreibreform und erst recht angesichts der Auseinandersetzungen um das Gendern wurde Sprache zu einem allgemeinen Thema. Inzwischen sitzen an jedem Küchen- und Kneipentisch Hobbylinguisten, und immer mehr Bücher liefern ihnen Argumente, Informationen und Geschichten zu Sprachen, ihrer Vielfalt und ihren Besonderheiten. Stefana Sabin ist Gaston Dorren auf seine Reise „in 20 Sprachen um die Welt“ gefolgt.

In 20 Sprachen um die Welt

Längst wird Sprache nicht mehr allein in akademischen Seminaren behandelt, sondern ebenso oft in Feuilletons und Sachbüchern. Zu jenen, die die Beschreibung von Sprachen zu ihrem Thema gemacht haben, gehört der holländische Journalist Gaston Dorren, der nach eigenen Angaben gesprochen hat, bevor er laufen konnte, und als Jugendlicher schon mehrere Sprachen gelernt hat. Heute gibt Dorren an, fünf Sprachen zu sprechen und weitere elf lesen zu können. Er hat, entnimmt man seinen sparsamen autobiographischen Angaben, in seiner jugendlichen Begeisterung die Möglichkeit eines Berufs entdeckt und nennt sich heute language writer – und ist als solcher sehr erfolgreich. Er hat über die Eigenarten seiner Muttersprache, die Sprachen der Migranten in den Beneluxländern und die europäischen Sprachen geschrieben und wendet sich in seinem letzten Buch der Welt zu: Babel. In 20 Sprachen um die Welt ist gerade in deutscher Übersetzung und mit Anpassung an die deutschsprachige Leserschaft anerschienen.

Die 20 Sprachen, die Dorren in diesem Buch beschreibt, sind nicht etwa nach Ländern, sondern nach der Zahl ihrer Sprecher ausgewählt – es sind also die meistgesprochenen Sprachen, und zusammengenommen machen sie die Muttersprachen einer Hälfte der Weltbevölkerung aus. Diese „größten Sprachen“ verursachen, wie Dorren schreibt, den Niedergang vieler kleiner Sprachen, aber zugleich entfalten sie selbst linguistische Vielfalt: durch Übernahmen aus anderen Sprachen ebenso wie durch Entlehnungen in andere Sprachen.

Jeder der 20 Sprachen widmet Dorren ein Kapitel, das mit kurzen Informationen beginnt und dann die Besonderheit der jeweiligen Sprache beschreibt. Schriftsystem, Grammatik, Aussprache werden ebenso dargestellt wie der politische Kontext, in dem eine Sprache sich verbreitet hat. Dorren beginnt mit dem Vietnamesichen, das mit 85 Millionen Sprechern die meist gesprochene Sprache der austroasiatischen Familie ist und auf Platz 20 steht. Über Persisch (Platz 15 mit 110 Millionen Sprechern) und Deutsch (Platz 11 mit 200 Millionen Sprechern) bis Portugiesisch (Platz 7 mit 275 Millionen Sprechern) und Mandarin (Platz 2 mit 1,3 Milliarden Sprechern) geht es bis zum Englischen, das mit 1,5 Milliarden Sprechern – 375 Millionen Muttersprachlern und über eine Milliarde Zweitsprachlern – auf Platz 1 steht.

Die enorme Verbreitung des Englischen hing und hängt mit der politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt kulturellen Macht zuerst Großbritanniens und später der USA zusammen, denn: „Der wichtigste Urheber und Förderer von Linguae francae war schon immer der Imperialismus“, schreibt Dorren und führt aus, wie auch Persisch, Portugiesisch, Arabisch und Mandarin ihre größte Verbreitung als Sprache eines mächtigen Reichs errreicht haben. Dorren zeigt auch, wie ihre Verbreitung die Veränderung dieser Sprachen verursacht hat, und er suggeriert, dass dem Englischen eine ähnliche Entwicklung wie dem Latein bevorsteht: „Es könnte sich zu regionalen Varianten entwickeln, die schließlich zu unterschiedlichen und untereinander nicht verständlichen Sprachen werden – aktuelle Varianten wie Hinglisch in Indien, Uglisch in Uganda und Konglisch in Korea könnten Vorboten davon sein.“ Andererseits scheint die Zahl der englischen Muttersprachler abzunehmen, während die Zahl der Zweitsprachler zunimmt.

Außer mit dieser Prognose hält sich Dorren eher an Tatsachen über Schrift und Aussprache und Wortschatz und erzählt amüsante und informative Sprachgeschichten. Er pflegt eine leichte Diktion (die in der Übersetzung erhalten ist), vermeidet komplizierte Vergleiche und Erklärungen und mischt geschickt kulturhistorische und linguistische Anekdoten. Vielleicht deshalb ist das Buch bei Amazon unter der Kategorie „Humor“ geführt. Jedenfalls bietet Dorrens Buch einen sehr eigenen Blick auf die Welt: die zwanzig Sprachgeschichten erzählen eine kleine Weltgeschichte.

Letzte Änderung: 24.08.2021  |  Erstellt am: 23.08.2021

Gaston Dorren: In 20 Sprachen um die Welt.

Gaston Dorren In 20 Sprachen um die Welt - Die größten Sprachen und was sie so besonders macht

Aus dem Englischen von Juliane Cromme
Verlag C.H.Beck 2021
Einband: Gebunden
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 9783406766848
Umfang: 400 Seiten
Gewicht: 648 g
Maße: 221 × 141 mm
Stärke: 36 mm

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