Aus der Reihe: REGINAS GÄSTE

Aus der Reihe: REGINAS GÄSTE

Regina Heidecke im Gespräch mit Kriegsreporterin Julia Leeb
 Julia Leeb

„Eben erst schien es wieder ein wenig leichter zu werden auf unserer Welt, die durch die Pandemie in letzter Zeit doch so schwer Luft bekam. Zarte Anzeichen von Unbeschwertheit. Doch dann begann der Krieg.“ Dieser Krieg in Europa, in der Ukraine, den Julia Leeb meint, hat uns schlagartig vor Augen geführt, wie weit weg Krieg für uns lange Zeit war. Doch für die Fotojournalistin und Kriegsreporterin Julia Leeb sind Krieg, Zerstörung und sinnloses Töten eine bittere Realität und immer ganz nah, seit sie diesen Beruf ausübt. Darüber und über ihr Buch „Menschlichkeit in Zeiten der Angst“ spricht sie mit der Journalistin Regina Heidecke.

Bevor Julia Leeb ihre Verantwortung in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt fand, wuchs sie in einer weltoffenen Familie in München auf. Altruismus und Hilfsbereitschaft, aber auch Zivilcourage und Mut zählten zum Rüstzeug ihrer Erziehung. Frühes Vorbild ist ihre Mutter, für die Hilfe und Mitmenschlichkeit oberste Priorität haben: Vor mehr als 30 Jahren gründet die Mutter eine private Hilfsorganisation für die Kinder von Tschernobyl und organisiert Patenschaften für verarmte ältere Menschen aus Belarus. Schon als junges Mädchen begleitet Julia Leeb, zusammen mit ihrer Schwester, die Mutter nach Myanmar und Indien, was bei ihr eine große Sehnsucht auslöst, die Welt selbständig zu erkunden. Mit ihrer Volljährigkeit und nach einer überstandenen Herzmuskelentzündung begibt sich Julia Leeb auf den Weg zu einem dreiwöchigen Spanischkurs in Ecuador, daraus werden sechs Monate in Lateinamerika und insgesamt sechs Jahre im Ausland. Sie sieht die Schönheit in vielen Teilen der Welt, aber vor allem auch die Ungerechtigkeiten. Es ist eine harte Zeit des Lernens und Erkundens, die sie zu einem politischen Menschen macht. Der Fotoapparat, den einst ihr Vater den beiden Schwestern ge-schenkt hatte, geht fortan in ihren Besitz über. In Bildern festhalten, was wir uns gegenseitig antun, ist seitdem eines ihrer Leitmotive: Die Skrupellosigkeit der einen und Verletzlichkeit der anderen in ihren Fotos spüren wird zur Richtlinie.
Zurück in Europa studiert Julia Leeb in Madrid und in Paris Internationale Beziehungen und Diplomatie und in einer Zwischenstation geht sie für ein Praktikum im italienischen Außenministerium nach Rom. Dort, im Umfeld von Politikern und Diplomaten, wächst ihr Interesse am Irakkrieg und insgesamt für die arabische Welt. Also zieht es sie weiter, nach Ägypten, Libyen und Syrien und ihr wird immer deutlicher bewusst, dass ihre Art, sich mitzuteilen, in den Bildern liegt. Nach Jahren im Ausland kehrt sie zurück nach Deutschland, um an der Bayrischen Akademie für Fernsehen und Digitale Medien das Handwerk des Foto- und Videojournalisten zu studieren. Ihr großes Vorbild ist die in Afghanistan 2014 erschossene Fotografin Anja Niedringhaus.
Was bringt Frauen dazu, als Berichterstatterinnen in den Krieg zu ziehen? „Krieg ist ein Platz der Extreme – es geht darum, wie Menschen ihre Menschlichkeit verlieren, aber auch, wie sie sie erlangen“, schreibt eine ihrer Kolleginnen, die Fotojournalistin Nicole Tung. Auf die Frage, warum macht jemand diese Arbeit, warum riskiert jemand sein Leben für ein Foto, kommt bei allen als Antwort: Um der Welt die Wahrheit zu zeigen!
Auch Julia Leeb geht es darum, das Unsichtbare sichtbar zu machen. In ihrem Buch „Menschlichkeit in Zeiten der Angst – Reportagen über die Kriegsgebiete und Revolutionen unserer Erde“ legt die Fotografin und Journalistin Zeugnis ab von den Bedingungen und Erfahrungen in Libyen, Ägypten, Nordkorea, Kongo, Transnistrien und Sudan.
„Nach jeder schrecklichen Nachricht habe ich mich gefragt, wie lange man mit der einen Hand das Jenseits berühren und mit der anderen auf den Auslöser drücken kann?“, sagt sie. Im Gespräch mit Regina Heidecke wird es um das Leben am Limit gehen, um unser Verhältnis zu Krieg und Frieden, um die scheinbare Unausweichlichkeit von Macht und Gewalt und was wir dagegen tun können.

Regina Heidecke hat in Frankfurt Soziologie, Germanistik und Philosophie studiert und war seit 1978 Redakteurin der Kulturredaktion beim Hessischen Rundfunk, von 2001 bis 2014 Schlussredakteurin der Sendung Kulturzeit bei 3sat.
Als Filmemacherin realisierte sie für den Hessischen Rundfunk, arte und 3sat Feature und Porträts in den Bereichen Theater, Tanz und Ballett, aber auch Magazinbeiträge zu gesellschaftlichen und politischen Themen, sowie Reisefilme. Daneben war sie viele Jahre als Ballettkritikerin für HR2 tätig. Als Redakteurin bei Kulturzeit hat sie sich vermehrt den Themen Politik, Bildung, kritischer Journalismus, sowie Fragestellungen zum Islam und dem Nahen Osten zugewendet.
Ganz besonders am Herzen lag ihr die Ausbildung und Betreuung von jungen Journalisten und Filmemachern aus Ländern wie dem Irak, Tunesien, Pakistan, Afghanistan in Kooperation mit ifa – Institut für Auslandsbeziehungen. In Workshops hat sie mit dem Goethe Institut in Syrien, mit dem IWPR – Institute for War and Peace Reporting im Nordirak, sowie mit dem SES – Senior Expert Service in Indonesien zusammengearbeitet. Seit 2015 ist Regina Heidecke freie Journalistin.

Letzte Änderung: 27.10.2023  |  Erstellt am: 27.10.2023

REGINAS GÄSTE
Regina Heidecke im Gespräch mit Kriegsreporterin Julia Leeb

5. November 2023, 17 Uhr

Neue Stadthalle Langen
Südliche Ringstr. 77
63225 Langen

www.neue-stadthalle-langen.de

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