Herausragend! Das Relief von Rodin bis Picasso

Das Relief ist eine sich plastisch aus einer Fläche erhebende Darstellung, wobei sie konkav (Basrelief) oder konvex sein kann – ein großer Teil der Figur bleibt einem also verborgen. Nun hat die große Reliefausstellung des Städelmuseums dieses Verbergen zum Prinzip gemacht.
Für diese in vielerlei Hinsicht herausragende Ausstellung – übersichtlich in 13 Kapitel unterteilt – über das Relief von 1800 bis in die 1980er Jahre wurde tief in die Tresore von Städel und der Hamburger Kunsthalle hineingeschaut, um die Ausstellung mit Werken aus dem eigenen Bestand zu bestücken. Von den 141 ausgestellten Werken von insgesamt 93 Künstler*innen (9 weiblich + 84 männlich) stammen 44 aus den Beständen von Städel und Liebieghaus und 16 aus dem Bestand der Kunsthalle Hamburg. Ergänzt wird die Ausstellung durch 81 Leihgaben aus Museen und privaten Sammlungen.
Das Relief ist eine Kunstform zwischen Malerei und Skulptur, die den Rahmen und die Grenzen unserer Sehgewohnheiten sprengt. Dabei liefert die Ausstellung keine umfassende Geschichte des Reliefs, sondern blickt vielmehr auf den heute noch wenig bekannten Diskurs rund um die Kunst des Reliefs.
Maler*innen schaffen Skulpturen, Bildhauer*innen nähern sich der Malerei an. Das Relief wird zum Übungs- und Spielfeld für Experimente mit neuen Formen, Materialien und Techniken. Gefertigt nicht mehr hauptsächlich aus den Werkstoffen Stein, Ton, Gips oder Bronze. Die Künstler*innen greifen zu Alltagsgegenständen und Fundstücken, um die plastischen Gebilde aus der Fläche hervortreten zu lassen. Ob geklebt oder genagelt, unter Verwendung von Naturschwamm oder Nägel – das Relief zeigt völlig neue Erscheinungsformen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es Künstler*innen ein Anliegen, mit ihren Werken an der Gestaltung einer neuen Gesellschaft mitzuwirken oder diese kritisch zu hinterfragen – nicht zuletzt durch und mit der Hinwendung zum Relief. Dies hat sowohl in den Werken der russischen Konstruktivisten Wladimir Tatlin und Iwan Puri als auch in der Dada-Bewegung um Hans Arp, Christian Schad und Kurt Schwitters einen wichtigen Stellenwert.
Rodin, Matisse, Gauguin, Picasso, Hans Arp oder Yves Klein – sie alle erschufen im wahrsten Sinne des Wortes herausragende Kunst: Reliefs.
Ist es Malerei oder Skulptur, Fläche oder Raum? Kaum ein anderes künstlerisches Medium fordert unser Sehen so heraus. Das macht es für die berühmtesten Künstlerinnen und Künstler seit jeher so reizvoll.
Den Schlusspunkt des Rundgangs setzt die Mehransichtigkeit von Reliefs mit vollplastischen Arbeiten, diese sind so konzipiert, dass man sie von allen Seiten betrachten kann und sollte. Wichtigster Auslöser für diese Entwicklung war der Kubismus. Eindrücklich erfahrbar durch das ausgestellte Werk Violine von Pablo Picasso.

Programmatisch hängen zwei Werke am Beginn des Ausstellungsrundgangs – einmal Das Schild des Herakles von Ludwig Schwanthaler – figürlich detailliert oder geometrisch abstrakt wie bei Günter Uecker. Das Relief von Günter Uecker erzählt von einer Handlung des Künstlers, in diesem Falle dem Einschlagen der Nägel, während die Arbeit von Ludwig Schwanthaler eine Geschichte erzählt. Reliefs verstehen sich dabei als Kunstwerke, die sich aus der Fläche erheben. Dabei unterscheiden wir Flachrelief, Hochrelief oder versenktes Relief.
So spricht jedes Relief auf eine bestimmte Weise zu uns und macht deutlich, wie unterschiedlich dabei Inhalte, Ereignisse und Handlungen im Relief erzählt werden können – erfahrbar im Verlauf des Rundgangs an den einzelnen Werken.
Die Ausstellung „Herausragend! Das Relief von Rodin bis Picasso“ – kuratiert von Alexander Eiling, Eva Mongi-Vollmer und Friederike Schütt – präsentiert Kunstwerke von 1800 bis in die 1960er-Jahre und bietet eine einmalige Gelegenheit, Kunstwerke aus rund 160 Jahren von Bertel Thorvaldsen, Jules Dalou, Auguste Rodin, Medardo Rosso, Paul Gauguin, Henri Matisse, Pablo Picasso und Alexander Archipenko sowie Hans Arp, Kurt Schwitters, Sophie Taeuber-Arp, Yves Klein, Louise Nevelson, Lee Bontecou und anderen zu sehen und zu erleben.

Diesen Sommer können unsere Besucherinnen und Besucher im Städel Museum einem aufregenden künstlerischen Medium begegnen: dem Relief. Eine Kunstform zwischen Malerei und Skulptur, die den sprichwörtlichen Rahmen und die Grenzen unseres Sehens sprengt! Wir widmen dieser bisweilen verkannten Kunstform eine große Ausstellung.
Philipp Demandt, Direktor, Städel Museum
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog bei Prestel mit Fotografien aller ausgestellten Werke und Beiträgen zu verschiedenen Aspekten im Zusammenhang mit der Ausstellung. Besonders lesenswert: Das Relief. Eine Einführung in das Thema und die Ausstellung von Alexander Eiling, Eva Mongi-Vollmer und Karin Schick.
https://www.staedelmuseum.de/de/herausragend
Letzte Änderung: 31.05.2023 | Erstellt am: 27.05.2023
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