Blinded by Rembrandt

Blinded by Rembrandt

Podcast

Im Rahmen der Sonderausstellung „Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam“ präsentiert das Städel Museum - nach „Finding van Gogh“ - einen weiteren Podcast, in dem es in vier Folgen um das Historiengemälde „Die Blendung Simons" geht. Seit dem 29. Oktober 2021 sind alle Folgen von „Blinded by Rembrandt" verfüg- und abrufbar.

Der Journalist und Moderator Michel Abdollahi nähert sich dem Gemälde Die Blendung Simsons, einer alttestamentarischen Geschichte auf einer rund zwei mal drei Meter großen Leinwand aus dem Jahre 1636 von Rembrandt, an. Gemeinsam mit Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern aus unterschiedlichen Bereichen und Fachgebieten lässt er sich auf dieses Gemälde ein und setzt sich damit intensiv auseinander.
Daraus entstanden ist ein vielstimmiger Podcast in denen es um LIEBE; SINNLCHKEIT, GEWALT und DAS FREMDE geht. Jede der vier Folgen dauert im Schnitt dreißig Minuten.
Die Blendung Simsons ist in Größe, Dramatik und Erzählung ein bemerkenswertes Werk, das uns noch viele Fragen stellt. Gemeinsam mit Michel Abdollahi möchten wir dazu einladen, sich dem Bild zu nähern und zu ergründen, was seine Faszination bis heute ausmacht. Es ist eine vielstimmige, kontroverse und aufregende Suche nach Antworten und zeigt, wie aktuell ein alter Meister sein kann“, so Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums.

Blinded by Rembrandt | © Foto: Städelmuseum

Kunst aus sich heraus zu verstehen ist nahezu unmöglich geworden. Es bedarf vermehrt einer Vermittlung, die die Museen auch zunehmend leisten über Führungen, Audioguides, Digitorials oder wie hier über einen Podcast.

Hier wird man an die Hand genommen, leiht man dem Moderator und seinen Gästen sein Ohr und er führt uns ein in Geschichte und Themen, die unmittelbar mit dem Bild, dem Maler und seiner Zeit zu tun haben und öffnet verschiedene Sicht- und Denkweisen auf die man alleine und ohne Vermittlung gar nicht gekommen wäre. So entsteht ein ganzes Panorama geprägt von Wissen und Diskurs in Bezug und ausgehend von nur diesem einen Bild.
Die Blendung Simsons ist ein Historiengemälde von Rembrandt van Rijn. Es zeigt die Blendung Simsons und gehört zu den bedeutendsten Werken des Malers und befindet sich seit 1905 in der Sammlung des Frankfurter Städel.
Der damalige Direktor des Städel, Ludwig Justi, erwarb es 1905 für 336.000 Mark. Der noch junge Direktor setzte alle Hebel in Bewegung, um das Bild zu bekommen. In einer konspirativen Crowdfunding Aktion – Wien durfte von dem geplanten Ankauf nichts erfahren – sammelte er das dafür notwendige Geld. Und es gelang ihm mithilfe großzügiger Spender und Sponsoren. Ein wahrer Fundraising Krimi, über den eine 600-seitige Akte im Städelarchiv existiert. Das Werk gilt heute als eines der bedeutendsten in der Sammlung.

Rembrandt – Die Blendung Simons, Öl auf Leinwand, 1636, 206 x 276 cm, Städel Museum in Frankfurt

Das Bild zeigt eine Episode aus der Geschichte des Richters Simson. Simson und Delilah sind ein Liebespaar, gehören aber verhängnisvoller Weise zwei verfeindeten Völkern an. Simson ist ein von Gott ausgewählter und mit übermenschlichen Kräften versehender Beschützer Israels. Delilah hingegen gehört dem Volk der Philister an. Als Beweis seiner Liebe – einer verbotenen Liebe – verlangt sie von Simson die Lüftung des wohlgehüteten Geheimnisses um seine Kräfte. Es sind seine Haare, ohne die Simson völlig kraftlos ist. Nach langem Drängen seiner damaligen Geliebten gibt er sein Geheimnis preis. Delila schneidet ihm daraufhin, das Haupthaar ab und verrät ihn gegen Geld an die Philister.
Delila, im Hintergrund abgebildet, flieht mit dem Haarschopf und der Schere in der Hand. Erstaunlich auch hier, wie es Rembrandt gelingt, nur mit der Darstellung von Gesichtszügen eine ganze Palette von Gefühlen zu zeigen.
Die weiteren Personen stellen verschiedene Aspekte der Handlung dar. So musste Simson, nachdem ihm die Haare abgeschnitten worden waren, zu Boden gerungen und gefesselt werden, bevor ihm die Augen ausgestochen wurden. Dies vermittelt Rembrandt über die Soldaten, von denen einer furchtsam den Schauplatz betritt, ein anderer Simson am Boden hält, einer ihn fesselt und einer ihm die Augen aussticht.
Rembrandt zeigt die ganze Geschichte von Simson und Delilah in einem Bild und es ist ihm gelungen, dadurch ein zeitloses Erschrecken hervorzurufen. Damals wie heute ist man als Betrachter*in entsetzt über die rohe Gewalt, die dieses Gemälde zeigt und ausstrahlt. Die Figuren wirken lebendig und erzählen uns eine Geschichte aus einer fernen Zeit, in der wir uns bei genauer Betrachtung und einem sich Einlassen auf das Bild und seiner theatralen Gestaltung sehr gerne wiedererkennen können. Wir sehen etwas, das ist über 400 Jahr alt, aber wir merken, das kann uns auch heute noch passieren – und es passiert ja auch. Die Nachrichten weltweit sind voll davon.
In Folge 1 von Blinded by Rembrandt geht es um die Liebe, die verhängnisvolle Liebe von Simson zu Delilah. Die Komikerin und Familientherapeutin Cordula Stratmann betrachtet die Szene aus einer psychologischen Perspektive und wäre begeistert, das Paar auf ihre Couch zu setzen. Besonders auch deshalb, weil Rembrandt sich und seine Ehefrau Saskia als Paar auf dem Gemälde selbst verewigt hat. Delilah trägt die Gesichtszüge von Rembrandts Ehefrau Saskia und er selbst setzt sich als Täter – ganz rechts in der Ecke – ins Bild. Das Paar als Komplizen bei einem Mord und auf Augenhöhe.

In Folge 2 geht es um das Sehen und Nicht-Sehen und das Erfahren von Kunst mit allen Sinnen. Wie riecht beispielsweise Die Blendung Simsons? Die Künstlerin und Geruchsexpertin Sissel Tolaas hat darauf eine Antwort.

Folge 3 beschäftigt sich mit der Frage nach Gewalt und deren Darstellung in der Kunst im Allgemeinen und bei der Blendung des Simon im Besonderen. Es ist eine schreckliche Gewalttat, die augenscheinlich im Zentrum des Gemäldes steht.

Der Moderator Michel Abdollahi lässt die Szene und besonders die Lage von Simon im Sportstudio nachstellen und Andreas Kraniotakes, einer der erfolgreichsten Mixed Martial Arts Kämpfer Deutschlands und damit ein Fachmann für das Thema Gewalt, stellt erstaunt fest, dass Rembrandt hier offenbar mit großem Fachwissen gemalt hat, denn diese Position ist eine der schlimmsten Wehrlosigkeit. Aus dieser Position der Wehrlosigkeit gibt es kein Entkommen mehr. Die Rabbinerin Elisa Klapheck und der Philosoph und Kurator Daniel Tyradellis übertragen die alttestamentarische Szene des Gemäldes in unsere gesellschaftspolitische Gegenwart und finden erstaunlich viele Bezüge zu heute.

Eine Figur auf dem Bild gibt Rätsel auf. Wer ist die Person vorne links im Bild und warum hat sich bisher noch kaum einer diese Frage gestellt?
Der Osmane als Schreckgespenst und Feindbild in Zeiten von Rembrandt und ein verdeckter Hinweis auf gewaltsame Kolonialgeschäfte. Wobei wir noch heute häufig die unangenehmeren Seiten der Geschichte lieber verdrängen und Kolonialismus und seine Folgen lieber außen vor lassen. Wie in der Kunst zur Zeit Rembrandts und heute mit Stereotypisierung und dem Fremden umgegangen wird, diskutiert Michel Abdollahi mit der Journalistin Hadija Haruna-Oelker in Folge 4.

Schalten Sie ein, hören Sie zu und betrachten Sie anschließend das Bild in voller Größe im Städel.

Letzte Änderung: 03.11.2021  |  Erstellt am: 03.11.2021

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