
Oper ist, wenn im letzten Akt eine Frau stirbt. An dieser lässigen Definition ergötzten sich gerne Menschen, die nicht in die Oper gingen. Tatsächlich aber wird in der Oper gerne gestorben. Man rechnet sogar damit, wenn es um Männer geht, die ohnehin die Bösen sind. Frauen aber, mit Ausnahmen, sind unschuldige Opfer. Das berührt mehr. Nun hat die Performance-Künstlerin Marina Abramović unter dem Titel „7 deaths of Maria Callas“ ein Opernprojekt erarbeitet, das Walter H. Krämer wärmstens empfiehlt.
Uraufgeführt an der Bayrischen Staatsoper München wird es demnächst (8.+10.04.) an der Deutschen Oper Berlin zu sehen und zu hören sein – bevor es weiter durch europäische Opernhäuser und Städte tourt – beispielsweise Teatro di San Carlo in Neapel (13.–15.05.)
7 DEATHS OF MARIA CALLAS ist eine persönliche Hommage der Performancekünstlerin Marina Abramović an eine der größten Sängerinnen der Zeit und gleichzeitig eine Momentaufnahme eines Lebens für die Kunst samt all dem Schmerz und der Faszination, die sie verursachen kann.
In 7 Szenen erlebt Marina Abramović den Bühnentod von Maria Callas nach: als Violetta (Verdi, La Traviata), Tosca (Puccini, Tosca), Desdemona (Verdi, Otelo), Cio-Cio-San (Puccini, Madam Butterfly), Carmen (Bizet, Carmen) Lucia (Donizetti, Lucia die Lammermoor) und Norma (Bellini, Norma).
An der dramatisch sterbenden Frau kommt keine Sängerin vorbei, ihr gehören die bekanntesten Arien der Operngeschichte. Auch Maria Callas ist in ihrer Karriere oft gestorben. Sieben ihrer Operntode nimmt die Performance-Ikone Marina Abramović als Ausgangspunkt: Sie löst sie aus der Handlung heraus und durchlebt sie selbst, projiziert auf einer Videoleinwand. Jedes Mal wird die Künstlerin dabei auf eine andere Weise getötet. Ihr Partner auf der Videoleinwand ist der US-amerikanische Filmschauspieler Willem Dafoe, u.a. bekannt für seine Darstellung von Vincent van Gogh in „At Eternity’s Gate” und seine Mitgliedschaft in der Wooster Group.

Die Filme, die Abramović zusammen mit Willem Dafoe zur assoziativen Illustration der Arien drehte, in Slow-Motion und einer erinnerungsträchtigen Bildsprache, beeindrucken. Zur Arie der Butterfly beispielsweise schreitet Abramović im Schutzanzug durch eine verwüstete Landschaft. An ihrer Seite das Kind, entfernt irgendwo der untreue Mann, sie entledigt sich des Schutzanzugs und stirbt. Ein starkes Bild großer Verletztheit.
Parallel zur Videohandlung singen sieben Sopranistinnen live die berühmten Callas-Arien. Gekleidet sind sie alle in ein Schürzenkleid. Das Schürzenkleid, das von Bruna, einer engen Vertrauten von Maria Callas getragen wurde.
Zeitlebens schon beschäftigt sich die Performancekünstlerin mit der Diva Assoluta. Und das ist kein Zufall. Haben beide doch vieles gemeinsam. Beide scheuen nicht das Risiko in ihren jeweiligen Kunstreichen und sind oder waren bereit, über Grenzen zu gehen.
Am Ende der Opernperformance schlüpft Marina Abramović selbst in die Rolle der sterbenden Maria Callas, die, nach Meinung der Performancekünstlerin, an gebrochenem Herzen gestorben ist. Wie aus einer anderen Welt erklingt jetzt
die Stimme der Callas und Marina Abramović überwindet den Tod – zumindest die Kunst der beiden Diven bleibt unsterblich.
Die Musik ist sehr unterschiedlich. Neben den Arien von Verdi, Bellini, Donizetti, Puccini und Bizet hat der serbische Musiker Marko Nikodijevic eigens eine neue Musik dazu geschrieben und komponiert.
Mit seiner Komposition beginnt die Oper und zwischen den einzelnen Arien erklingt diese immer wieder. Auch gehört der Schluss seiner Musik und gibt einen Hinweis, wie sich Musik in der Oper weiterentwickeln könnte.
Marina Abramović ist bei allen Aufführungen persönlich anwesend – the artist ist present – und die Faszination des Abends erklärt sich nicht zuletzt mit und durch ihre Präsenz.
Gehen Sie hin, lassen sie sich ein und sie werden einen spannenden Opernabend erleben mit zwei – jede mit ihrer Kunst – Ausnahmekünstlerinnen.
Letzte Änderung: 02.03.2022 | Erstellt am: 15.02.2022
7 deaths of Maria Callas
Termine
Deutsche Oper, Berlin
8.4.2022 – 10.4.2022
Teatro di San Carlo, Neapel
13.5.2022 – 15.5.2022
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