Das Wort Lakonie leitet sich von den Lakoniern ab, die in der Antike im östlichen Süden des Peloponnes zu Hause waren. Nach ihrem Zentrum, dem Stadtstaat Sparta, werden sie gerne pauschal Spartaner genannt. Ihre unsentimentale, mitleidlose Haltung und ihre verknappte Ausdrucksweise wurden uns später als literarischer Stil überliefert. Julia Mantel, zu Füßen des Taunus aufgewachsen, pflegt in ihren Gedichten diese Lakonie, die sie mit Wortspielen und –umdeutungen zu einem Personalstil formt. Dabei bekleidet der aphoristische Tonfall oft den melancholischen Kern der Aussage, wie in „strandnotiz 2004“: bis zum horizont/ legt sich das meer/ in dauerwellen/und auch ich/ befände mich gern/ unter der haube. Julia Mantel ist das Epische fremd. Ihre Gedichte sind gesammelte Augenblicke, die mit reduziertem Vokabular Einblicke in eine Befindlichkeit zwischen den Gewissheiten erlauben. Und selbst, wenn sie sich ganz dem Bedeutungsspiel der Worte überlässt, ist ihr Zugriff darauf von der eigenen Erfahrung geleitet: Von Hoffnung und Verzweiflung erzählen ihre zusammengesteckten Notate, auch wenn das Ich fehlt. Und doch kommen sie so undramatisch und trügerisch leicht daher, dass der Widerspruch zwischen Form und Inhalt selbst als poetische Aussage mitgelesen werden muss. Lakonie ist eben nicht nur spartanisch. Bernd Leukert

Text und Audio
Julia Mantel liest
alltägliches
ein nebeneinander her
fällt schwer
zwischen zwei gedanken
welten
die uns trennen
gelten
schon lange andere regeln
ziehen
hinter den wolken
andere saiten auf.
munich voreilig
zwischen unseren worten
ein hoffnungsschimmer
auf der haut.
die allgemeinheit breche ich in zwei brothälften
und kehre die üblichen schwüre unter den teppich.
ich brauche olivenöl aufs baguette,
sagst du später.
wenn es weiter nichts ist
das uns fehlt.
survival-training, aber
der starke juckreiz
hat in den letzten jahren
nachgelassen –
eine neurodermitis-kur
ist nicht mehr von nöten
ich schlafe lediglich
mit männern
die gut küssen können
es gibt ein paar telefonnummern
die ich auswendig kenne
unter denen sich freunde melden
für mich zu sorgen
habe ich gelernt
ich mache weiter
und erkenne an:
es ist
wie es ist
vielleicht bleibe
ich hier.
tau 2
weiss nicht
mehr woher
der wind weht
meine haare
erkältet
vor deinem haus
zum jahresende
hastet
die zeit
macht sie sich
etwas vor
& zurück
vergeht
sich an vergangenem
zu schnell
erstellt am 21.11.2011
AUDIO-Beispiele:
Siehe auch:
GESPRÄCH mit Julia Mantel